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Dein ist die Rache. McAvoys zweiter Fall: Ein Yorkshire-Krimi (Ein Aector-McAvoy-Krimi) (German Edition)

Dein ist die Rache. McAvoys zweiter Fall: Ein Yorkshire-Krimi (Ein Aector-McAvoy-Krimi) (German Edition)

Titel: Dein ist die Rache. McAvoys zweiter Fall: Ein Yorkshire-Krimi (Ein Aector-McAvoy-Krimi) (German Edition)
Autoren: David Mark
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Moment der Stille zur Folge, und McAvoy wendet sich um. Der Sprecher steht links von ihm an die Motorhaube eines blauen Volvo gelehnt. Der Besitzer des Wagens findet es ratsam, so zu tun, als könnte er den massigen, einschüchternden Rom nicht sehen, der den Hintern gegen seinen Wagen drückt.
    Der Rom ist untersetzt. Er wird langsam kahl, hat ein rundes Gesicht und glänzende Wangen. Trotz der Kälte und der aufziehenden Wolken sind seine Arme bloß. Das weiße, ärmellose T-Shirt ist nicht gerade schmeichelhaft für seinen schlaffen Bauch und Oberkörper, ebenso wie die allzu blauen Jeans.
    »Ihres?«, fragt McAvoy mit einer Kopfbewegung zu dem Pferd hin.
    Der Mann zuckt die Achseln, aber er hält ein Stück Seil in der Hand und wollte wohl gerade sein Eigentum wieder einfangen, als McAvoy sich anschickte, ihm die Arbeit abzunehmen.
    »Brunft?«
    Der Mann nickt. »Geil wie ein Seemann beim ersten Landgang.«
    »Schöne Scheiße.«
    Ein paar Sekunden zuvor hätte er den Hengst beinahe gehabt. Er stand nur wenige Meter entfernt und rupfte Osterglocken vom Rasenstreifen einer Seitenstraße der verstopften Hauptstraße. Mit sanfter Stimme und vorsichtigen Bewegungen hatte McAvoy es geschafft, sich dem Tier so weit zu nähern wie noch keiner, seit der Zirkus losging. Aber während das Biest noch unsicher mit dem Kopf auf und ab schlug, stieß ein Passant laute Anfeuerungsrufe aus. Das plötzliche Geräusch hatte den Hengst erschreckt, so dass er McAvoy samt seiner teuren Kleidung in den Dreck stieß.
    »Name?«
    »Ich oder das Pferd, Sir, ich oder das Pferd?«
    »Das Pferd.«
    »Kein Schimmer. Versuchen Sie’s mit Butterblümchen.«
    Langsam, auf dem nassen Asphalt sicheren Halt suchend, nähert sich McAvoy wieder dem Tier. Mit rollenden Augen, schlammbespritzt und schweißüberströmt, hat es sich in den Garten eines ein Stück von der Straße zurückgesetzten, hübschen Einfamilienhauses verzogen. Dessen Bewohner sehen durch ein großes doppelverglastes Fenster zu. Da in der Einfahrt kein Auto steht und das Pferd nur geringes Interesse an ihren Magnolien zeigt, können sie die Show genießen.
    »Langsam, mein Junge«, haucht McAvoy, während er die Arme ausbreitet und sich auf die Einfahrt zubewegt. »Vertrau mir.«
    Er weiß, was passieren wird, wenn er keinen Erfolg hat. Die Tierärzte werden versuchen, sich dem Pferd mit einem Betäubungsgewehr zu nähern. Das wird ihnen nicht gelingen, weil sie wie Trampel vorgehen und den Hengst lediglich verschrecken. Dann wird irgendein wohlmeinender Farmer mit einem zahmen Gaul auftauchen, in der Hoffnung, den Hengst damit anzulocken. Das Pferd wird schließlich völlig in Panik geraten. Autos beschädigen. Sich selbst verletzen. Am Ende wird ein Scharfschütze das Tier mit so vielen Kugeln erschießen, wie eben nötig sind, damit der Verkehr in der Stadt wieder in die Gänge kommt. Das will McAvoy vermeiden. Der junge PC hatte ihm gesagt, dass das Pferd von einem Stück Land entkommen sei, auf dem sich fahrendes Volk niedergelassen hatte. Seiner Erfahrung nach lieben die Roma ihre Tiere, und dieses Pferd, obwohl grau und mit fransigen Stirnlocken, die an ausgetretene Stiefel erinnern, sieht aus, als hätte man sich gut um es gekümmert, auch wenn es hart arbeiten musste.
    »Ruhig, mein Junge. Ganz ruhig.«
    McAvoy reduziert den Abstand. Hebt die Hand mit nach oben gewandter Handfläche und flüstert sanft und melodisch in das Ohr des Tieres. Es scheut zurück. McAvoy legt den Kopf schief. Strahlt gleichzeitig Kraft und jene für ihn typische Sanftheit aus; richtet seine braunen Augen auf das verwirrte, verängstigte Pferd …
    Der Hengst zuckt kaum, als er ihm die Seilschlinge über den Kopf streift. McAvoy singt weiter leise vor sich hin. Trällert das einzige Lied des fahrenden Volks, an das er sich erinnern kann, und wünscht sich, er hätte die gleiche weiche Stimme wie seine Liebste, wenn sie sanft an seiner Schulter vor sich hin summt.
    Diesmal hat der Beifall aus der Zuschauermenge kaum Einfluss auf das Pferd. Es lässt sich aus der Einfahrt hinausführen: Seine unbeschlagenen Hufe klappen gemütlich über das Pflaster.
    McAvoy blickt auf und sieht in fröhliche Gesichter. Seine Wangen brennen, und er muss sich um eine gleichmütige Miene bemühen, während die kleine Runde der Autofahrer applaudiert. Sie sind froh, dass sie endlich wieder in den fünften Gang hochschalten und zu ihren verhassten Jobs rasen können. Aber wenigstens haben sie heute Morgen eine
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