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Dein Ende wird dunkel sein (German Edition)

Dein Ende wird dunkel sein (German Edition)

Titel: Dein Ende wird dunkel sein (German Edition)
Autoren: Michelle Paver
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Und Sie sind …» Er unterbrach sich mit einem kläglichen Lachen. «Entschuldigung, wir hoffen , Sie sind unser Mann für Kommunikation.»
    Er schien aufrichtig erpicht, mich für die Sache zu gewinnen, und ich fühlte mich unwillkürlich geschmeichelt. Dann verdarb Hugo Charteris-Black, der Inquisitor, mir dieses Gefühl, indem er zu wissen verlangte, warum ich mitkommen wollte und ob ich überhaupt wüsste, worauf ich mich einließ.
    «Ist Ihnen klar, wie der Winter dort sein wird?», fragte er und fixierte mich mit seinen kohlschwarzen Augen. «Vier Monate Dunkelheit. Meinen Sie, dass Sie das aushalten?»
    Ich biss die Zähne zusammen und erklärte ihm, dass ich gerade deshalb mitkommen wollte: wegen der Herausforderung.
    Oh, das gefiel ihnen. Ich nehme an, dergleichen wird einem auf Privatschulen beigebracht. Ich war froh, dass ich ihnen den eigentlichen Grund nicht genannt hatte. Sie wären gekränkt gewesen, wenn ich ihnen gesagt hätte, dass ich verzweifelt war.
    Ich konnte es nicht länger aufschieben, eine Runde zu spendieren. Je ein großes Bier für Algie Carlisle, Teddy Wintringham und Hugo Charteris-Black (das Glas zu sieben Pence), ein kleines für mich (macht noch einmal dreieinhalb Pence). Ich dachte schon, ich könnte es nicht aufbringen, da sagte Gus Balfour: «Für mich keins.» Er brachte es sehr überzeugend vor, doch ich merkte, dass er versuchte, mir beizuspringen. Das beschämte mich.
    Danach ging es eine Weile lang recht gut. Wir leerten unsere Gläser, dann sah Gus Balfour die anderen an, nickte und sagte zu mir: «Nun, Miller, möchten Sie sich unserer Expedition anschließen?»
    Ich muss gestehen, es verschlug mir kurz die Sprache. «Hm, ja», sagte ich. «Ja, ich denke schon.»
    Die anderen sahen nur erleichtert drein, doch Gus Balfour wirkte aufrichtig erfreut. Er klopfte mir mehrmals auf den Rücken und sagte: «Bravo, bravo!» Ich denke nicht, dass es geheuchelt war.
    Anschließend legten wir unser nächstes Treffen fest, danach verabschiedete ich mich und ging zur Tür. Doch im letzten Moment blickte ich über die Schulter – und erspähte Teddy Wintringhams Grimasse und Algie Carlisles schicksalsergebenes Achselzucken. Nicht direkt ein feiner Herr, aber wir werden wohl mit ihm vorliebnehmen müssen.
    Dumm, so wütend zu sein. Am liebsten wäre ich zurückmarschiert und hätte ihre blasierten Gesichter in ihre überteuerten Getränke getaucht. Wissen Sie, wie es ist, arm zu sein? Seine Manschetten verstecken, die Füße an den Stellen, wo die Socken Löcher haben, schwärzen müssen? Zu wissen, dass man schlecht riecht, weil man sich nicht mehr als ein Bad in der Woche leisten kann? Glauben Sie, mir macht das Spaß?
    Da wusste ich, es war hoffnungslos. Ich konnte nicht an der Expedition teilnehmen. Wenn ich es nicht einmal ein paar Stunden mit ihnen aushalte, wie könnte ich ein ganzes Jahr überstehen? Am Ende würde ich noch jemanden ermorden.
    Später
    Jack, was tust du, zum Henker? Was tust du, zum Henker?
    Der Nebel am Embankment war fürchterlich, als ich nach Hause ging. Kriechende Busse und Taxis, gedämpfte Rufe der Zeitungsjungen. Die Straßenlaternen nur düster-gelbe Flecken, die nichts erhellen. Gott, ich hasse den Nebel. Den Gestank, die tränenden Augen. Diesen Geschmack in der Kehle, wie Galle.
    Auf dem Bürgersteig hatten sich Menschen versammelt, deshalb blieb ich stehen. Sie sahen zu, wie eine Leiche aus dem Fluss gezogen wurde. Jemand sagte, das sei wohl wieder so ein armer Teufel, der keine Arbeit finden konnte.
    Über das Geländer gebeugt, sah ich drei Männer auf einem Schleppkahn, die ein triefendes Kleiderbündel an Deck hievten. Ich erkannte einen nassen runden Kopf und einen Unterarm, der von einem Landungshaken aufgerissen worden war. Das Fleisch war zerfetzt und grau wie poröser Kautschuk.
    Ich war nicht entsetzt, ich habe schon mal einen Toten gesehen. Ich war neugierig. Und als ich auf das schwarze Wasser blickte, fragte ich mich, wie viele wohl schon darin umgekommen waren und warum es dort nicht mehr Gespenster gab.
    Dieses Zusammentreffen mit der Realität hätte mir eigentlich die Augen öffnen und die Dinge relativieren können, doch dem war nicht so. Ich schäumte noch immer vor Wut, als ich zum Untergrundbahnhof kam. Ich war so wütend, dass ich meine Haltestelle verpasste, in Morden aussteigen und nach Tooting zurückfahren musste.
    In Tooting war der Nebel noch dichter. Ist er immer. Als ich mich zu meiner Straße tastete, kam ich mir vor
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