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Deborahs Totenacker

Deborahs Totenacker

Titel: Deborahs Totenacker
Autoren: Jason Dark
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bleich. Sie bewegte sich mit unsicheren Schritten durch das Schlafzimmer wie eine fremde Person, die sich erst zurechtfinden mußte. Ihre Kehle war ausgedörrt. Sie lechzte nach frischem Wasser und fand sich wenig später im Bad wieder.
    Sie trank Wasser. Auch über ihr Gesicht ließ sie es laufen. Daß die Haare dabei naß wurden, störte sie nicht mehr. Alles würde sie nicht mehr stören, jetzt, wo Carlo nicht mehr da war. Sie und er hatten keine Kinder, was sie nun bereute.
    Wie eine Greisin ging sie weiter. Der Weg führte sie auf das Restaurant zu. Sie und Carlo hatten es gemeinsam eingerichtet. Jeden einzelnen Stuhl und jede Tischdecke hatten sie beide ausgesucht, und es hatte ihnen große Freude bereitet.
    Nun aber kam sich Sophia vor wie eine Fremde, als sie über die Schwelle trat. Der Schmerz über den Verlust ihres Mannes steckte wie ein Nagel in ihrem Leib.
    Der verdammte Raum war menschenleer. Nichts bekam sie zu sehen.
    Die leeren Stühle, die ebenfalls leeren Tische, nicht ein Blutfleck zeichnete sich auf dem Boden ab.
    Aber ihr Mann war tot. Es gab ihn nicht mehr, mochte es auch anders aussehen.
    Sie stöhnte auf. Plötzlich drehte sich der Raum vor ihren Augen. Sophia schaffte es nicht mehr, sich auf den Beinen zu halten. Sie mußte sich setzen. Zum Glück fand sie einen Stuhl in ihrer Nähe und ließ sich darauf nieder.
    Ihr Kopf sank nach vorn. Sophia versuchte, ihre Gedanken zu ordnen.
    Sie wußte genau, daß sie etwas unternehmen mußte, doch ihr fiel nicht ein, was es genau war.
    Wie mußte sich ein Mensch verhalten, wenn er derartig schreckliche Dinge erlebte?
    Die Frau schloß für einen Moment die Augen und wünschte sich weit weg. Es war nicht möglich, denn als sie wieder hochschaute, saß sie noch immer auf dem Stuhl. Sie weinte lautlos.
    Carlo war nicht mehr da. Man hatte ihn getötet, und seine Leiche war von der Rothaarigen mitgenommen worden. Es war eine Tatsache, das wußte sie, und sie würde es auch der Polizei erzählen müssen, aber würde man ihr dort glauben?
    Sophia wußte es nicht. Sie wußte überhaupt nichts mehr. Sie konnte sich aber vorstellen, daß man sie auslachen und für eine Spinnerin halten würde. Eine Frau, die über den Verlust des Mannes den Verstand verloren hatte.
    Nein, kaum jemand würde ihre Aussage akzeptieren, und selbst für den Begriff Mafia würde man nur ein müdes Lächeln übrig haben. Das war das höchste der Gefühle.
    Es sah beileibe nicht gut aus für sie. Kein Mörder, keine Leiche, keine Polizei. Es blieb ihr nur der Ausweg, das Land zu verlassen. Weg nach Italien, wo noch Verwandte lebten.
    Was sie denen sagen sollte, wußte sie nicht. Und sie schob diesen Vorsatz auch zur Seite.
    Nein, so nicht!
    Sie wollte ihren Mann.
    Sie wollte ihn sehen, auch wenn er nicht mehr lebte. Sie wollte seine Leiche, und sie wollte für ein würdiges Begräbnis sorgen. Das hatte Carlo verdient. Er war ein Mensch gewesen, der sich nie geduckt hatte, und etwas davon war auch auf Sophia übergeströmt. Kein Ducken mehr, dafür – Kampf!
    ***
    Deborah fuhr einen pechschwarzen Opel Frontera, dessen Ladefläche groß genug für ihre Zwecke war. Schließlich mußte sie hin und wieder jemand wegschaffen, und manchmal waren es auch mehrere Personen, die man ihr zugestand.
    In der letzten Zeit war es ruhig gewesen. Um so erfreuter war sie gewesen, einen neuen Auftrag zu erhalten. Sie hatte schon gedacht, daß es schieflaufen würde, doch der Mann, der tot auf der Ladefläche lag, hatte genau in ihrem Sinne reagiert.
    Er war tot und gehörte ihr.
    Über den breiten Mund der Frau huschte ein Lächeln, als sie daran dachte. Es tat ihr gut, es war wunderbar, dies zu wissen. Sie freute sich darüber, und in ihr kochten die Gefühle, die man eigentlich mit einem Begriff umschreiben konnte.
    Gier!
    Die kalte nackte Gier nach dem Fleisch!
    Sie fuhr durch London. Es war eine dunkle und kalte Nacht. Zum Glück waren die Straßen trocken, nur noch an den Rändern befand sich dünnes Eis auf den Pfützen, aber auch das würde bald tauen.
    Für Deborah war es wichtig, die Stadt zu verlassen. Zwischen den Häusern fühlte sie sich eingeengt. Richtig aufdrehen konnte sie nur noch in ihrem Reich, einem Hecken Erde, vor dem sich die meisten Menschen fürchteten, einem alten Friedhof, einem Totenacker…
    Für sie war er ideal. Er gab Deborah alles, was sie brauchte. Schutz und gleichzeitig die Bedingungen für ein für sie ideales Leben. Ihre Augen leuchteten kalt, als sie daran dachte.
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