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Das Zeichen des Vampirs - The Society of S

Titel: Das Zeichen des Vampirs - The Society of S
Autoren: Susan Hubbard
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kommen noch gehen, aber man spürte seine Anwesenheit, sobald er einen Raum betrat. Ich hatte das Gefühl, dass ich es auch mit verbundenen Augen und Ohren fühlen würde, wenn er da wäre; die Luft, die ihn umgab, war von einer schimmernden Greif barkeit.
    »Wie wird Honig gemacht?«, fragte ich ihn an diesem Nachmittag.
    Seine Augen weiteten sich. »Es fängt mit den Bienen an«, sagte er.

    Und er erklärte mir die Honiggewinnung vom Nektar bis zur Wabe. »Die Arbeiterinnen sind unfruchtbare Weibchen«, sagte er. »Die Männchen sind weitgehend nutzlos. Ihre einzige Aufgabe besteht darin, sich mit der Königin zu paaren. Sie leben nur ein paar Monate und dann sterben sie.« Es schien seinem Mund Mühe zu bereiten, das Wort »sterben« zu formen, als wäre es ein Wort aus einer fremden Sprache. Dann erzählte er mir, wie die Bienen tanzen, wenn sie zum Bienenstock zurückkehren: Seine Hände beschrieben Schlaufen und Kreise, und seine melodische Stimme verzauberte mich so, dass ich die tanzenden Bienen fast vor mir sehen konnte.
    Als er bei den Bienenzüchtern angelangt war, stand er auf, ging zu einem der Bücherregale und kam mit einem Lexikon zurück. Er zeigte mir eine Abbildung von einem Mann mit Handschuhen, der einen Hut mit breiter Krempe und einen Schleier als Gesichtsschutz trug und ein Gerät mit einer Zerstäuberdüse in der Hand hielt, mit dem er den Bienenstock ausräucherte.
    Jetzt hatte ich eine bildliche Vorstellung von meiner Mutter: eine Frau, die dicke Handschuhe anhatte und in einen langen Schleier gehüllt war. Aber das sagte ich meinem Vater nicht und ich fragte ihn auch nicht nach »unserem Lavendelhonig«. Er beantwortete grundsätzlich keine Fragen zu meiner Mutter. Für gewöhnlich wechselte er einfach das Thema, wenn die Sprache auf sie kam. Einmal sagte er, dass ihn solche Fragen traurig machten.
    Ich fragte mich, wie Lavendelhonig wohl schmeckte. Der einzige Honig, den ich kannte, wurde aus Klee gewonnen, so stand es jedenfalls auf dem Etikett des Honigtopfs, und er beschwor den grünen Duft von Sommerwiesen hervor. Lavendel, so dachte ich, würde aromatischer, intensiver schmecken, blumig
mit einer winzigen rauchigen Note vielleicht. Er würde veilchenblau schmecken - wie die Farbe des Zwielichts.

    In der Welt meines Vaters besaß Zeit keine Bedeutung. Ich glaube, er hat nie auch nur einmal auf die Standuhr in der Bibliothek geschaut. Trotzdem lebte er nach einem festen Zeitplan - hauptsächlich meinetwegen, wie ich vermute. Jeden Abend leistete er mir Gesellschaft, wenn ich das Abendessen zu mir nahm, das Mrs McG mir gekocht und zum Warmhalten in den Ofen gestellt hatte: Makkaroni mit Käse oder Tofuauflauf oder vegetarisches Chili. Egal was es war, es war unten noch nicht richtig gar und oben verbrannt, schmeckte fade und gesund. Wenn ich aufgegessen hatte, ließ mein Vater mir ein Bad ein.
    Als ich sieben wurde, ließ er mich allein, wenn ich mich wusch. Und er fragte mich, ob ich - da ich ja jetzt ein großes Mädchen sei - immer noch wolle, dass er mir vor dem Schlafengehen vorlas, und natürlich sagte ich Ja. Seine Stimme war wie Samt. Als ich sechs war, hatte er mir noch Plutarch und Plato vorgelesen, aber dann musste Dennis etwas zu ihm gesagt haben, denn danach las er mir aus Black Beauty, Heidi und Die Prinzessin und der Kobold vor.
    Ich hatte meinen Vater gefragt, warum er nicht mit mir zu Abend aß, und er hatte geantwortet, er würde lieber später unten essen. Mit »unten« war das Kellergeschoss gemeint. Dort gab es eine zweite Küche (ich nannte sie die »Nachtküche«) mit zwei riesigen Öfen, das Labor, in dem mein Vater mit Dennis arbeitete, und drei Schlafzimmer, die ursprünglich für die Dienstboten gedacht waren. Ich ging nur selten ins Kellergeschoss; es war mir zwar nicht ausdrücklich verboten, aber
manchmal war die Küchentür, die ins Kellergeschoss führte, verschlossen, und auch wenn sie es nicht war, wusste ich, dass man mich dort nicht haben wollte. Aber ich mochte sowieso nicht, wie es dort unten roch: Die beißenden Ausdünstungen der Chemikalien aus dem Labor vermischten sich mit dem Geruch von verdorbenem Essen aus der Nachtküche und dem Gestank heißen Metalls aus den Öfen. Da war mir der Geruch von Stärke eindeutig lieber. Außerdem war das Kellergeschoss das Reich der Köchin und Haushälterin meines Vaters, der grässlichen Mary Ellis Root, und immer wenn sie mich sah, blickte sie mich aus feindselig funkelnden Augen an.

    »Und? Hat er dir
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