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Das zarte Gift des Morgens

Das zarte Gift des Morgens

Titel: Das zarte Gift des Morgens
Autoren: Tatjana Stepanova
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stabile Eisentür, aber mit ganz gewöhnlichen Schlössern, wie er sie aus ähnlichen Fällen eigentlich gut kannte.
    »Es geht nicht, Kostja, ruf die Feuerwehr an«, sagte er schließlich und trat von der Tür zurück. »Die Schlösser kriege ich auf, sowohl das obere wie das untere, aber die Tür ist von innen verriegelt. Man muss den ganzen Block herausschneiden.«
    »Verriegelt? Na, das ist doch mal ’ne gute Nachricht.« Lessopowalows Gesicht erhellte sich. »Wenn von innen abgeriegelt ist, war er allein. Das heißt, er ist auch von allein heruntergefallen. Ein Unfall oder ein Selbstmord.«
    »Zuerst müssen wir die Wohnung untersuchen, anschließend können wir Vermutungen anstellen«, sagte Nikita. »Wie spät ist es jetzt? Fünf Uhr? Vielleicht können wir noch einen starken Tee trinken, bis die Feuerwehr mit dem Schneidbrenner kommt.«
    Die Leiche wurde um halb sechs abgeholt, die Tür zur Wohnung Nr. 148 um acht aufgebrochen. Dabei wurde auch der Name des Toten festgestellt – Maxim Studnjow, zweiunddreißig Jahre alt.
    »Er hat einen Wagen und eine Garage«, teilte einer der Einsatzmänner ihnen mit. »Einen dunkelgrünen Opel Tigra. Ein auffälliges Auto, ich habe es hier in der Siedlung schon oft gesehen.«
    »Überprüfen Sie die Garage, ob der Wagen dort steht, und stellen Sie fest, was dieser Studnjow beruflich macht, wo er beschäftigt war. Und noch etwas«, Lessopowalow runzelte die Stirn, »setzen Sie sich mit Paschkow in Verbindung, er soll in seiner Datenbank nachsehen, ob der Name Studnjow dort auftaucht – vielleicht hat der Bursche ja was mit Drogen zu tun. Könnte ja sein, dass er sich so ein Dreckszeug gespritzt und im Drogenrausch die Kontrolle verloren hat.«
    Die Wohnung war groß, hell und leer. Nikita begann die Untersuchung wie gewohnt in der Diele – bei der Tür und den Schlössern. Kein Zweifel – die Tür war von innen verriegelt gewesen, bevor die Feuerwehr sie aufgebrochen hatte. In der Diele lag der Staub fingerdick. In der Küche – sie war noch ganz neu, wie auch die sonstige Einrichtung, alle Möbel in der beliebten Kiefernoptik – stapelte sich das schmutzige Geschirr in der Spüle, und der Fußboden war verdreckt. Es roch säuerlich nach kaltem Zigarettenrauch. Auf dem Tisch stand eine Flasche teurer schottischer Whisky, aber offenbar hatte noch niemand daraus getrunken.
    Es gab zwei Zimmer, beide waren fast unmöbliert, wie es oft bei jungen Leuten ist, die beim Einzug nur ein paar einzelne Möbelstücke kaufen, die ihnen gefallen, aber keine Garnituren. Im Wohnzimmer war nichts Besonderes zu sehen, dafür herrschte im Schlafzimmer Chaos: Das Bettzeug auf dem breiten Doppelbett war zerknautscht, die Laken verrutscht, die Kopfkissen auf den Boden gefallen. Daneben lag eine zerbrochene Lampe. Der Tisch, auf dem sie gestanden hatte, war umgeworfen. Umgefallen war auch ein niedriges Bänkchen, auf dem die Kleidung gelegen hatte. Die einzelnen Kleidungsstücke waren nun auf dem Teppichboden verstreut.
    Kolossow hob eine Jeans in verwaschenem Rot, wie es in dieser Saison gerade modern war, vom Boden auf und untersuchte sie, dann ein rotes T-Shirt und eine modische Sportjacke, ein teures Markenprodukt. An der Jacke fiel ihm ein weißlicher, verhärteter Fleck vorn auf der Brust auf, von dem ein unangenehmer Geruch ausging. Ähnliche Flecken bemerkte Nikita auch auf dem blauen Bezug eines der Kopfkissen am Boden. Er zeigte sie Lessopowalow.
    »Und was ist das deiner Meinung nach?«, fragte der und schnupperte mit sichtlichem Ekel an dem Stoff.
    »Sieht aus wie die Spuren von Erbrochenem.« Kolossow legte Studnjows Kleidung und das Kopfkissen auf die Seite. »Das kommt ins Labor.«
    Er ging auf die Loggia hinaus, die vor dem Schlafzimmer lag. Da war ja auch der Vorhang. Merkwürdig . . . Sah aus, als hätte sich jemand darin verheddert, als er blindlings nach der Tür tastete . . .
    »Die Gardine hat er fast abgerissen«, sagte Lessopowalow, »sie hängt nur noch an zwei Haken. Wahrscheinlich hat er sich daran festgeklammert. Betrunken oder im Drogenrausch. Er war verwirrt, ist über die Stufe zum Balkon gestolpert und nach draußen gefallen. Dabei hat er sich an die Gardine geklammert und sie mit sich gezogen, dann hat er das Gleichgewicht verloren, sich über die Brüstung gebeugt und ssst – ging’s im Sturzflug nach unten . . .«
    »Was meinst du, wie groß er ist?«, fragte Nikita.
    »Größer als ich. Etwa einen Meter sechsundachtzig, schätze ich.«
    Nikita ging zur
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