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Das weiße Mädchen

Das weiße Mädchen

Titel: Das weiße Mädchen
Autoren: dtv
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als Medium ausgibt.«
    Lea nickte enttäuscht und griff nach den Papieren. »Ist schon in Ordnung. Tut mir leid, dass wir Sie damit belästigt haben.«
    Sie tauschte einen resignierten Blick mit Jörg und wollte sich gerade zum Gehen wenden, als der Chefredakteur, ohne den Blick vom Bildschirm abzuwenden, die Hand hob. Lea kannte diese Geste und verstand, dass er sie zum Bleiben aufforderte.
    »Wo Sie beide schon mal da sind   … Da wäre noch das Problem mit dem Urlaub.«
    Jörg und Lea lächelten einander vielsagend zu. Der Chef sprach nie schlicht von »Urlaub«, sondern stets vom »Problem mit dem Urlaub« – was sich auf die Schwierigkeit bezog, den Betrieb auch über die Sommermonate hinweg in Gang zu halten. Geduldig warteten beide, während er mit einer Sorgenfalte auf der Stirn den Dienstplan durchging.
    »Lea, Sie haben noch zwei Wochen Urlaub vom letzten Jahr übrig«, stellte er fest.
    »Schön.« Lea lächelte erwartungsvoll.
    »Bei Ihnen ist es auch nicht besser«, wandte Ehrlig sich an Jörg. »Ihre Probezeit ist um, und sie haben haufenweise Überstunden. Wenn es nach mir geht, sollten Sie die Zeit beide vor dem Hochsommer abfeiern, denn dann brauche ich Sie am dringendsten. Allerdings verstehen Sie sicher, dass ich Sie nicht gleichzeitig in den Urlaub schicken kann. Irgendwer muss sich ja um die Lokalangelegenheiten kümmern.«
    »Klar«, nickte Jörg. »Ich lasse Lea gern den Vortritt.«
    Lea schenkte ihm ein dankbares Lächeln.
    »Gleich ab Montag?«, fragte Ehrlig forsch, den Finger über der Enter-Taste. »Ist Ihnen das recht, Lea?«
    »Das wäre prima! Mein Sohn ist ja auf Klassenfahrt, da könnte ich einmal ganz allein wegfahren.«
    »Gut.« Ehrlig klickte. »Jörg, wollen Sie dann anschließend gehen? Ab dem zwanzigsten Mai?«
    »Okay«, stimmte Jörg bereitwillig zu. »Schichtwechsel am zwanzigsten.«
    »Alles klar.« Der Chefredakteur wirkte erleichtert. »Und Sie fahren weg, ja?«, fragte er, scheinbar aus reiner Höflichkeit, in Leas Richtung.
    »Mmm«, nickte Lea nachdenklich. »Ich glaube, ich weiß auch schon, wohin.«
    Ehrlig warf ihr einen verschmitzten Blick zu. »Doch nicht zufällig ins Wendland?«
    »Sagen wir mal so: Ich denke darüber nach.«
    »Sie sind unverbesserlich, Lea.«
    »Tut mir leid, aber die Sache lässt mich nicht los. Ich werde einmal schauen, ob es in diesem Verchow eine Ferienwohnung gibt.«
    Ehrlig überwand sich zu einem gutmütigen Lachen. »Was Sie in Ihrer Freizeit tun, ist natürlich Ihre Sache, aber glauben Sie ja nicht, dass ich den Quatsch drucke, selbst wenn Sie ein Dutzend angeblicher Augenzeugen auftreiben.«
    »Keine Sorge, Chef«, beruhigte ihn Lea. »Das ist ein rein privates Interesse.«
    »Na dann, viel Spaß – und nehmen Sie keine untoten Anhalter mit!«, scherzte der Chef, den Blick schon wieder auf dem Bildschirm.
     
    »Danke, Jörg«, sagte Lea, als sie in das Großraumbüro zurückkehrten. »Und es macht dir nichts aus, mir den Vortritt zu lassen?«
    Jörg winkte ab. »Ich schiebe meinen Urlaub gern ein wenig nach hinten, dann kann ich Ende Mai auf Segeltour gehen.«
    Lea nickte. Sie wusste, dass Segeln Jörgs Leidenschaft war. Mindestens einmal im Jahr fuhr er mit Freunden an die Adriaküste, wo sie ein Boot mieteten, von Insel zu Insel schipperten und in den Korallenbuchten tauchten. Fast beneidete Lea ihn ein wenig – er hatte viele Freunde.
    Kein Wunder, er ist so ein netter Mann
, dachte sie abwesend .
    »Willst du wirklich ins Wendland fahren?«, riss er sieaus ihren Gedanken, als beide ihre Plätze wieder einnahmen.
    »Ich denke schon.«
    »Sag bloß, du hast eine Schwäche für Geistergeschichten?« Seine Worte klangen nicht im mindesten herablassend, sondern ehrlich interessiert.
    »Nein. Ich weiß auch nicht, was mich daran reizt   …« Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, doch den tatsächlichen Grund ihres Interesses hätte Lea nicht mit wenigen Worten erklären können. Es hatte etwas mit ihrer Vergangenheit zu tun – mit Geschehnissen, die nahezu zwanzig Jahre zurücklagen und über die sie nicht gerne sprach. Erneut überflog sie die Einträge des Forums, die noch immer auf dem Bildschirm zu sehen waren. »Jedenfalls soll das Wendland eine wunderschöne Urlaubsgegend sein«, wich sie aus. »Natur pur und sehr dünn besiedelt. Was verliere ich also, wenn ich eine Woche ins Grüne fahre, durch Wälder und Wiesen spaziere und mich nebenbei ein wenig umhöre?«
    »Wenn du bei deinen Recherchen Hilfe brauchst, kannst du
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