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Das weiße Mädchen

Das weiße Mädchen

Titel: Das weiße Mädchen
Autoren: dtv
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hörte.
    »Es ist schon nach acht!«, rief David.
    Verflixte Samstagsarbeit
, dachte Lea mit einem Blick auf ihren Wecker. Offenbar hatte sie den Alarm im Halbschlaf abgestellt, ohne es zu merken.
    »Ich komme!«, rief sie zurück. Rasch fuhr sie aus dem Bett, warf sich eine knielange Bluse über, suchte einen Augenblick vergeblich nach ihren Slippern und tappte schließlich barfuß über den Flur.
    »Morgen!«, sagte David, als sie das Wohnzimmer betrat. »Ich hab uns Frühstück gemacht.«
    Schuldbewusst bemerkte Lea, dass er Kaffee aufgesetzt und den Couchtisch gedeckt hatte.
    »Oh David, es tut mir so leid«, sagte sie. »Ausgerechnet heute   … warum hast du mich nicht früher geweckt?«
    Ihr Sohn zuckte die Achseln, während er zwei Tassen füllte. »Macht doch nichts! Ich kann den Bus zum Bahnhof nehmen. Du musst mich nicht hinfahren.«
    »Wirklich nicht?«
    »Mum, ich bin doch kein Kind mehr.«
    Wie stets nannte er sie »Mum«. Lea seufzte – wahrscheinlich hatte er recht. David war sechzehn Jahre alt,und sie konnte verstehen, dass er lieber allein zum Hauptbahnhof fuhr. Sicher war es ihm vor den Klassenkameraden eher peinlich, wenn seine Mutter ihn chauffierte.
    »Es ist ja nur eine Klassenfahrt«, fuhr David fort, öffnete den Kühlschrank und suchte nach der Dosenmilch. »Ich mache keine Weltreise.« Er grinste. »Du wirst noch froh sein, dass du mich mal ein paar Tage los bist.«
    Lea lachte pflichtschuldig.
    Er ist wirklich kein Kind mehr
, dachte sie. Es gab Tage, an denen sie sich diese Tatsache ins Gedächtnis rufen musste.
    Lea ließ sich auf dem Sofa nieder, während David die Tassen herübertrug. Es war erstaunlich, wie erwachsen er wirkte, wenn er sie bediente.
    »Danke«, sagte Lea, beugte sich vor und sog den Duft des Kaffees ein. »Du wirst sicher auch froh sein, mich mal eine Woche lang nicht zu sehen.«
    David setzte sich ihr gegenüber. »Wieso?« Es klang arglos, als wüsste er nicht, was sie meinte.
    »Ach   …« Lea lachte selbstironisch. »Alleinerziehende Mütter können eine Strafe für Jugendliche sein.«
    »Ich hab kein Problem mit dir!«, versicherte David gönnerhaft, während er sich ein Brot mit fingerdicken Mettwurstscheiben belegte.
    »Echt?«
    David zuckte die Achseln. »Andere Jungs aus meiner Klasse müssen um elf zu Hause sein.«
    »Du eigentlich auch!«, sagte Lea erschrocken. »Wann bist du je nach elf heimgekommen?«
    David lächelte und winkte ab. »Wenn du es nicht gemerkt hast, dann umso besser. Ich glaube, an dem Abend bist du früh schlafen gegangen.«
    »Sieh mal an.« Überrascht blickte Lea auf. »Verrätst du mir, wo du warst?«
    »Bei Justin. Nichts Aufregendes – wir haben ein neues Computerspiel ausprobiert.«
    »Also hatte es nichts mit einer gewissen Maja zu tun?«, forschte Lea.
    David seufzte. »Nee.«
    Er schwieg, und Lea wagte nicht genauer nachzufragen, obwohl das Thema sie brennend interessierte. Von Maja wusste sie nur, dass sie in Davids Klasse ging und dass David sie »absolut cool« fand. Aus seinem Mund war das eines der größten denkbaren Komplimente und bis vor kurzem für Filmstars reserviert gewesen. Genaueres hatte er jedoch nie durchblicken lassen – keineswegs aus Angst vor ihrer Reaktion, wie Lea wusste. David war einfach nur diskret: immer ein Gentleman.
    »Du hast ja dann sturmfreie Bude«, bemerkte David.
    Unwillkürlich musste Lea lachen. »Wie meinst du das?«
    David zuckte die Achseln. »Keine Ahnung   … weiß ja nicht, was du so vorhast.«
    »Zu meiner Zeit sprachen die Kinder von sturmfreier Bude, wenn die Eltern mal weg waren – und heute sagt mir das mein sechzehnjähriger Sohn   …«
    »Ist doch nichts dabei«, behauptete David leichthin. »Es wundert mich nur manchmal, dass du nie ein Date hast.«
    Lea durchlebte einen Moment der Unwirklichkeit. Es fühlte sich seltsam an, mit ihrem Sohn am Frühstückstisch zu sitzen und im Plauderton auf ihr Liebesleben angesprochen zu werden.
    »’tschuldige«, sagte David, der ihre Verlegenheit bemerkte. »Geht mich ja nichts an.«
    »Schon gut.« Lea nahm hastig einen Schluck von ihrem Kaffee und verbrannte sich prompt den Mund. Eine Weile schwiegen sie beide.
    »Ich packe noch ein paar Sachen«, meinte David miteinem Blick auf die Uhr und erhob sich, die Schnitte Brot noch in der Hand. »Der Bus geht um zehn vor neun.«
    »Soll ich dir helfen?«
    David winkte ab und schlenderte hinaus.
    »Denk an die Regenjacke!«, rief Lea ihm nach, schalt sich aber sogleich wegen ihres
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