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Das Weihnachtsversprechen

Das Weihnachtsversprechen

Titel: Das Weihnachtsversprechen
Autoren: Donna Vanliere
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fragte er Ray, um ihn abzulenken.
    Ray lehnte sich wieder in seinem Stuhl zurück und faltete die Hände vor der Brust. »Der größte Teil dieser Arbeit besteht darin, ein Schutzmann der Höflichkeit zu sein«, erklärte er.
    Mr. Marshall hatte Chaz mitgeteilt, er benötige einen Sicherheitsmann; er hatte nichts von einem Schutzmann der Höflichkeit gesagt. Was für ein Weichei-Job war das hier? Es klang, als würde man mit einer Sprühflasche und einer über dem Arm gefalteten Serviette durch die Gegend laufen.
    »Man geht durch die Abteilungen und versichert sich, dass mit den Mitarbeitern alles in Ordnung ist. Man fragt sie, ob irgendetwas, das man wissen muss, nicht stimmt. Ab und zu geben sie Ihnen zu verstehen, dass Sie jemanden, der möglicherweise verdächtig wirkt, im Auge behalten sollen. Ihre Aufgabe ist es dann, durch die Abteilung zu gehen, damit die betreffende Person Sie und den Ausweis und die Uniform sieht.«
    »Aber Sie tragen keine Pistole?«
    »Wir sind keine Polizisten«, entgegnete Ray. »Wir können niemanden festnehmen. Halten Sie sich das vor Augen, wenn Sie sehen, wie jemand etwas stiehlt, und Sie die betreffende Person zur Rede stellen. Wenn die Person dann ein Messer oder eine Schusswaffe zieht, treten Sie einfach zurück und sagen: ›Lassen Sie mich Ihnen die Tür aufhalten.‹ Unsere Aufgabe ist es, Diebstähle zu verhindern, nicht, uns auf Handgreiflichkeiten mit Dieben einzulassen.« Ray wies auf die Videomonitore. »Normalerweise ist einer von uns hier hinten vor den Monitoren und funkt es dem in der Halle, wenn er ein verdächtiges Verhalten bemerkt.«
    »Was ist, wenn man jemanden fasst?«, fragte Chaz. »Dann nimmt man dessen Personalien auf und überlässt es dem Management, ob die Polizei geholtund Anzeige erstattet werden soll. Ein großer Teil der Arbeit, vor allem jetzt zu Weihnachten, besteht darin, den Kunden ihre Tüten zum Auto zu tragen.«
    Chaz warf Ray einen Blick zu.
    »Ich weiß. Sie haben sich Waffen und Ruhm vorgestellt und müssen stattdessen Tüten mit Handtüchern tragen.«
    Chaz wandte sich wieder seinen Formularen zu.
    »Wir helfen auch Eltern, ihre verloren gegangenen Kleinkinder wiederzufinden, helfen den Älteren in und aus ihren Autos, helfen den Leuten, ihre Schlüssel zu finden, die sie irgendwo im Geschäft verloren haben, und wir montieren oft Reifen von Leuten, die einen Platten haben.«
    »Ist das alles?«
    »In der Weihnachtszeit sorgen wir dafür, dass niemand dem Weihnachtsmann etwas tut oder seine Werkstatt zerstört.«
    Chaz hörte auf zu schreiben. »Wir sind Sicherheitskräfte für den Weihnachtsmann?«
    Ray nickte lächelnd. »Er kommt jeden Morgen um neun und bleibt bis Mittag und kommt dann wieder jeden Abend von fünf bis acht. Manche Kinder schlagen die großen Lollis und die Zuckerspazierstöcke kurz und klein, ein paar gehen ziemlich grob mit dem großen Mann um.« Ray atmete tief durch. »Und das ist immer noch nicht alles! Wir beantworten zahlreiche Fragen wie: ›Was halten Sie von diesem Kleid?‹, ›Wenn Sie mein Mann wären, würde Ihnen dann diese Unterwäsche gefallen?‹ oder: ›Finden Sie diese Schuhehübsch?‹ Aber was auch immer Sie denken, seien Sie stets liebenswürdig. Unsere Aufgabe ist es, den Kunden mit Respekt zu behandeln und so hilfreich wie möglich zu sein. Um diese Jahreszeit machen wir zahlreiche Überstunden und können ordentlich was verdienen.«
    Die Erwähnung von Geld weckte Chaz’ Interesse. Er wusste, dass er glücklich sein würde, wenn es ihm gelang, gerade genug zu verdienen, um zu etwas Besserem weiterzuziehen.
    »Glauben Sie, dass Sie damit klarkommen?«, fragte Ray jetzt.
    »Sicher«, meinte Chaz, bemüht, möglichst viel Begeisterung in seine Stimme zu legen.
    Ray zog eine Schublade auf und machte sich über eine kleine Tüte Chips her. »Sind Sie von hier?«
    Chaz schüttelte den Kopf.
    »Woher kommen Sie?«
    »Ich bin viel herumgezogen.«
    »Mit der Armee?«
    »Nein.«
    »Woher kommen Sie ursprünglich?«, setzte Ray nach. »Wo wohnen Ihre Eltern?«
    »Meine Eltern sind tot.«
    »Mann, das tut mir leid. Haben Sie Brüder oder Schwestern?«
    »Nein.«
    »Kein Wunder, dass Sie viel herumziehen.« Ray überreichte Chaz eine Uniform. »Vielleicht finden Sie ja was, das Sie für eine Weile hier hält.«
    Chaz zwang sich zu einem Lächeln, aber er wusste, dass er an diesem Ort ebenfalls nicht bleiben würde.
    Chaz kam an jenem Abend früh nach Hause. Er packte eine Tüte mit Lebensmitteln auf dem
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