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Das war eine schöne Reise

Das war eine schöne Reise

Titel: Das war eine schöne Reise
Autoren: Horst Biernath
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der im Rang eines Kriminalkommissars stand. Während Otto Lobedanz sich in diese lakonische Aufforderung vertiefte, beobachtete ihn seine Mutter, als suche sie in seinem Gesicht nach einem Wimmerl. Das Gewissen von Otto Lobedanz war so rein wie das Herz eines neugeborenen Kindes. Immerhin bewirkte die Unterschrift eines Kriminalkommissars unter einem amtlichen Schriftstück doch, daß er den Blick nach innen richtete und unwillkürlich auf der strahlenden Schneefläche seiner Seelenlandschaft nach verborgenem Unrat zu spähen begann...
    »Nun?? Nun?? Nun??« drängte seine Mutter, die ihn scharf im Auge behielt. Und plötzlich sah sie, daß er sich verfärbte. Er erblaßte nicht etwa, sondern eine Blutwelle tönte sein sonnengebräuntes Urlaubsgesicht noch dunkler. Denn in der blendenden Helligkeit gab es einen dunklen Punkt!
    »Die Weinrechnung!« stieß er hervor.
    »Meine Güte, die Weinrechnung!« stammelte auch Frau Lobedanz und preßte beide Hände gegen das Herz.
    Sie hatten in Rimini in den siebzehn Urlaubstagen mittags und abends je einen halben Liter Vino rosso getrunken — der Rotwein war ja billiger als das Mineralwasser —, und der Wirt hatte nur siebzehn halbe Liter auf die Rechnung gesetzt. Was nützte es jetzt, sich zu schämen? Otto Lobedanz hatte den Padrone auf den Fehler nicht aufmerksam gemacht, sondern von dem unerhofften Gewinn seiner Mutter ein Paar Pantöffelchen gekauft, rotes Leder mit eingepreßten Goldornamenten. Und Frau Lobedanz trug die in Florenz gefertigten Pantoffeln an ihren Füßen!
    Es gibt in den Grimmschen Märchen grausame Szenen, wo böse Frauen gezwungen werden, in Pantoffeln aus glühendem Eisen so lange zu tanzen, bis sie tot umfallen. In solche Folterwerkzeuge schienen sich die rotgoldenen Hausschuhe plötzlich zu verwandeln, in denen Frau Lobedanz vor ihrem Sohn Otto stand, denn sie schleuderte sie mit zwei kurzen, aber sehr heftigen Schlenkerbewegungen von den Füßen. Der eine flog unter den Küchenschrank, und der andere verschwand unter dem Gasherd. Otto Lobedanz hob die Schultern und ließ sie wieder fallen, denn damit, daß seine Mutter jetzt in Strümpfen vor ihm stand, war die üble Geschichte leider nicht aus der Welt geschafft.
    »Du hättest das Geld nicht behalten dürfen, Otto!« sagte Frau Lobedanz mit verquollener Stimme, »ich habe dir doch gleich gesagt, daß das nicht gut ausgehen wird...«
    »Was hast du gesagt?« rief Otto Lobedanz empört.
    »Ich habe gesagt, daß du das Geld zurückgeben sollst!«
    Ihm verschlug es für einen Augenblick Atem und Sprache. Was seine Mutter da behauptete, war die Höhe! Denn von Geld zurückgeben war überhaupt nie die Rede gewesen. Im Gegenteil, als er seiner Mutter erzählte, Signor Gualdini, der Inhaber der »Villa Annabella«, hätte sich verrechnet, da hatte sie nur gefragt, wieviel das in deutschem Gelde sei, und als er es ausgerechnet hatte, da hatte sie nur gefragt: Und was machst du, Ottchen, wenn er es merkt?
    »Mutter!« sagte er beschwörend, »besinn dich und versuche nicht, mir die Schuld in die Schuhe zu schieben! Wer konnte in jener Nacht vor lauter Aufregung kein Auge zutun? Und wer hat mich am nächsten Morgen hundertmal gelöchert und immer wieder gefragt: Meinst du, daß er es nicht doch noch merkt? Und wer hat am nächsten Tage gesagt: Otto, wenn er es bis zum Abend nicht spannt, dann darf ich mir doch die hübschen roten Pantöffelchen kaufen, die wir gestern in dem Laden neben der Apotheke gesehen haben? Ja, so ist es nämlich gewesen, verehrte Frau Lobedanz! Und nicht so, wie du es plötzlich darzustellen beliebst!«
    »Ich will die Pantoffeln nicht mehr sehen!« schluchzte Frau Lobedanz in einem Anfall von Hysterie und gab dem, der noch unter dem Schrank rot vorlugte, einen Tritt, daß er in der Dunkelheit verschwand. Als Mann stand Otto Lobedanz solchen Ausbrüchen, die auf einen bedauerlichen Mangel an Logik schließen ließen, hilflos gegenüber. Aber es sollte noch dicker kommen. Mit der gleichen Vehemenz, mit der Frau Lobedanz dem unschuldigen Florentiner den letzten Tritt versetzt hatte, stürzte sie zu ihrem Sohn, krallte sich an den Aufschlägen seiner hellgrauen Sommerjacke fest und stammelte, sie würde den Gashahn aufmachen, wenn er eingelocht würde.
    Das war zu viel! Und zum erstenmal in achtundzwanzig langen Jahren gingen Otto Lobedanz die Pferde durch: »Jetzt hör aber auf!« brüllte er, »was soll der Blödsinn? Einlochen...Mach dich doch nicht lächerlich! Wo steht
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