Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das wandernde Feuer

Titel: Das wandernde Feuer
Autoren: Guy Gavriel Kay
Vom Netzwerk:
dann wusste er noch etwas, und etwas regte sich tief in seinem Innern wie eine Woge, und er trat seinerseits vor, weg von Jennifer, und er fragte: »Willst du dich mit dem Zweimal Geborenen Mörnirs messen?«
    Und der Wolfsfürst erwiderte: »Aus keinem anderen Grund bin ich hier, auch wenn ich das Mädchen töten werde, sobald du nicht mehr am Leben bist. Denke daran, wen du vor dir hast: Die Kinder von Göttern sind vor mir niedergekniet, um meine Füße zu baden. Noch bist du ein Nichts, Pwyll, der Zweimal Geborene, und zweimal wirst du sterben, ehe ich zulasse, dass du deine Macht entfaltest.«
    Paul schüttelte den Kopf. Durch sein Blut rauschte eine Flutwelle, und er hörte sich sagen, wie von weit her: »Dein Vater hat vor mir den Rücken gebeugt, Galadan, willst du es ihm nicht gleichtun, Sohn des Cernan ?« Und er fühlte seine Kräfte wachsen, als er bemerkte, wie der andere zögerte.
    Doch nur einen Augenblick lang. Dann lachte der Wolfsfürst, der seit über tausend Jahren über ungeheure Macht verfügte und Fürst gewesen war unter den Mächtigen, laut heraus, hob noch einmal die Hand und hüllte den Raum in vollkommene Finsternis.
    »Von welchem Sohn hätte man je gehört, dass er in die Fußstapfen seines Vaters getreten sei?« spottete er. »Nun gibt es keinen Hund, der dich beschützt, und ich kann in der Dunkelheit sehen !«
    Das Aufwogen der Kräfte in Paul verebbte.
    An seine Stelle trat etwas anderes, eine Stille, eine Weite wie von einem Teich mitten im Wald, und er wusste instinktiv, dies war die wahre Pforte hin zu dem, was er war und sein würde. Umgeben von dieser Stille trat er aufs Neue zu Jennifer und sagte zu ihr: »Fürchte dich nicht, aber halte dich an mir fest.« Während er spürte, wie sie seine Hand ergriff und sich neben ihn stellte, richtete er noch einmal das Wort an den Wolfsfürsten, und seine Stimme klang verändert.
    »Sklave Maugrims«, erklärte er, »noch kann ich dich nicht besiegen, kann dich nicht wahrnehmen in der Finsternis. Wir werden einander wieder sehen, und auf das dritte Mal kommt es an, wie du weißt. Aber ich bin nicht bereit, deinetwegen an diesem Ort zu verharren.«
    Und bei diesen Worten spürte er, wie er in die stille, tiefe Weite hinabglitt, in den Teich in seinem Innern, den die äußerste Not dort entdeckt hatte. Tiefer, immer tiefer versank er, hielt dabei Jennifer fest und nahm sie mit sich fort durch die nun schon vertraute Kälte, durch die Spalten der Zeit, durch den Raum zwischen den Welten des Webers, zurück nach Fionavar.

 
Kapitel 2
     
    Vae hörte das Klopfen an der Tür. Seit man Shahar nach Norden geschickt hatte, vernahm sie des Nachts häufig Geräusche im Haus, und sie hatte sich dazu erzogen, sie zu überhören, meist jedenfalls.
    Doch das laute Pochen unten an die Ladentür ließ sich nicht überhören, da es an winterliche Einsamkeit oder kriegerische Zeiten erinnerte. Es war wirklich und eindringlich, und sie wollte am liebsten nicht wissen, wer das sein mochte.
    Doch ihr Sohn stand bereits auf dem Flur vor ihrem Zimmer; schon hatte er Hosen und das warme Wams übergestreift, das sie ihm genäht hatte, als die Schneefälle einsetzten. Er sah schläfrig aus und jung, aber in ihren Augen sah er immer jung aus.
    »Soll ich nachschauen gehen?« fragte er tapfer.
    »Warte«, gebot Vae. Sie stand selber auf und zog sich einen wollenen Umhang über das Nachtgewand. Es war kalt im Haus, und weit nach Mitternacht. Ihr Mann war nicht da, und sie war allein in dieser winterlichen Kälte mit einem vierzehnjährigen Kind und einem immer dringlicher werdenden Klopfen an ihrer Tür.
    Vae entzündete eine Kerze und folgte Finn die Treppe hinunter.
    »Warte«, wiederholte sie noch einmal drunten. im Laden und entzündete zwei weitere Kerzen, obwohl das eine Verschwendung darstellte. Man machte nicht in einer Winternacht einfach die Tür auf, ohne genügend Licht, um sehen zu können, wer da kam. Als die Kerzen brannten bemerkte sie, dass Finn den eisernen Schürhaken von der Feuerstelle im Obergeschoß mitgebracht hatte. Sie nickte, und er öffnete die Tür.
    Mitten im Schnee, der draußen zusammengeweht war, standen zwei Fremde, ein Mann und eine Frau, die jener, einen Arm um ihre Schultern gelegt, stützte. Finn ließ seine Waffe sinken; sie waren unbewaffnet. Im Näher treten hielt Vae die Kerze hoch und sah zweierlei: dass die Frau doch keine Fremde und dass sie hochschwanger war.
    »Wir kennen uns vom Ta’kiena her?« erinnerte sich Vae.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher