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Das Wagenrennen

Das Wagenrennen

Titel: Das Wagenrennen
Autoren: Martin Scott
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verstehst du sicherlich.«
    Natürlich. In einer derartig unmoralischen Stadt wie Turai, in der man beinah alles und jeden kaufen kann, legt die Öffentlichkeit immer noch einen verblüffend hohen Wert auf die moralische Integrität unserer öffentlichen Bonzen. Wenn ein Senator in eine schmutzige Scheidungsaffäre verwickelt wird, kann das seiner Karriere sehr schaden und seine Chancen abrupt beenden, die Leiter des Erfolgs über die Stufen Präfekt, Prätor, Vizekonsul und Konsul hinaufzuklettern. Aus diesem Grund versuchen sie gern, ihre Probleme zu vertuschen und von den Skandalpapyri fern zu halten. Ihre Frauen machen da normalerweise auch mit. Es ist ihnen erheblich lieber, verheiratet zu bleiben und ihren Wohlstand und ihren gesellschaftlichen Status zu behalten, als zu riskieren, sich auf dem allgemeinen Fleischmarkt wieder zu finden. »Und warum hat sie Euch ausgeraubt?«
    »Meine Frau braucht häufig dringend Geld.«
    »Gebt Ihr ihr denn keine Zuwendungen?«
    »Nicht für Boah, nein.«
    Klar doch. Nicht für Boah. Das ergibt Sinn. Seit die südlichen Handelswege erschlossen wurden, ist dieses höchst gefährliche Rauschmittel in unsere Stadt geströmt. Seine Wirkung auf die Bevölkerung ist dramatisch. Bettler, Seeleute, Schüler, Huren, Handlungsreisende und reiche junge Dinger … Alle Arten von Menschen, die sich früher einmal damit zufrieden gegeben haben, ihre Leiden mit Bier und dem gelegentlichen Genuss der erheblich milderen Droge Thazis zu dämpfen, verbringen jetzt ihre Tage verloren in den Fängen der mächtigen Träume des Boah. Unglücklicherweise ist Boah aber genauso teuer wie suchterregend. Wenn man seine Dosis intus hat, ist man so wohlgemut wie ein Elf im Baum, aber wenn sie nachlässt, fühlt man sich echt mies. Meist sind die Konsumenten, die die Hälfte ihres Lebens im Rausch dieser Droge verbringen, dazu gezwungen, die andere Hälfte ihres Lebens der Beschaffung von Geld für noch mehr Boah zu widmen.
    Seit Boah Turai überschwemmt, hat sich die Kriminalitätsrate jeglicher Kontrolle entzogen. In manchen Stadtteilen kann man sich nachts nicht mehr draußen aufhalten, ohne Angst vor einem Überfall haben zu müssen. Die Stadt geht vor die Hunde. Die Armen verzweifeln, und die Reichen degenerieren. Eines Tages wird König Etzelus von Nioj sich aus dem Norden auf uns stürzen und uns von der Erdplatte fegen.
    »Ist sie ernsthaft süchtig?«
    »Ja. Sie hat versucht, etwas dagegen zu tun, aber…«
    Er breitet hilflos die Arme aus.
    »In den letzten sechs Monaten hat sie in dem Landhaus gelebt. Es war ihre Idee. Sie meinte, es würde ihr helfen, die Sucht zu überwinden. Nach dem, was mir die Dienstboten erzählt haben, hat es wohl nicht geklappt. Ich habe es mit Doktoren, Zauberern, Heilern und allem nur Erdenklichen ausprobiert. Aber nichts hat gewirkt. Sie ist immer wieder rückfällig geworden. Schließlich habe ich ihr die Geldmittel beschnitten und ihr nur einen Diener mit Lebensmitteln geschickt.«
    »Und das Ergebnis war, dass Eure Gattin Familienerbstücke verkauft hat, um ihre Sucht zu finanzieren?«
    »So sieht es aus.«
    Ich lehne mich auf meinem Stuhl zurück und nehme eine Thazisrolle aus der Schublade. Ich biete auch dem Senator eine an, aber er lehnt ab. Ihr Genuss ist zwar immer noch illegal, aber seit Boah die Stadt überschwemmt, kümmert sich keiner mehr darum. Ich zünde sie an und inhaliere.
    »Was genau soll ich für Euch tun?«
    »Suche meine Sachen. Vor allem das Gemälde. Und zwar ohne die Wache oder die Skandalpapyri mit hineinzuziehen.«
    Der Senator erzählt mir geradeheraus, sozusagen von Mann zu Mann, dass er von den Traditionalisten dazu gedrängt wird, sich nächstes Jahr für den Posten des Präfekten zu bewerben. Er ist fünfzig Jahre alt, also wird es allmählich Zeit, seine politische Karriere ins Rollen zu bringen. Als ehemaliger Kriegsheld, und da er sowohl beim Mob, bei den Snobs als auch beim König einen Stein im Brett hat, dürfte seine Wahl nur eine Formsache sein. Es sei denn, sein Ruf würde durch einen Skandal beschmutzt. Die Volkspartei, die mächtige Opposition im Senat, die von Senator Lohdius angeführt wird, würde keine Sekunde zögern, jeglichen erdenklichen Schmutz, und sei es auch nur der unter den Fingernägeln ihrer Gegner, gegen ihre Widersacher zu schleudern.
    Ich denke darüber nach. Der Auftrag bedeutet, im Regen die Stadt zu verlassen. Das ist eine recht unerfreuliche Aussicht, weil das offene Land sich bei dem Wetter in eine
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