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Das Wagenrennen

Das Wagenrennen

Titel: Das Wagenrennen
Autoren: Martin Scott
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Ehren finden jedes Jahr statt. Sie heitern die Bewohner auf, bevor die grimmige Winterzeit einsetzt. Dieses Jahr werden die Festlichkeiten in einem noch größeren Rahmen begangen als normalerweise, weil sie mit der Dreifach-Mond-Konjunktion zusammenfallen, was nur alle fünfzehn Jahre vorkommt.
    Natürlich wette ich auch bei diesem Fest, allerdings hatte ich nicht vor, meine Gurans beim letzten und prestigeträchtigsten Lauf zu opfern, dem Turas-Gedächtnis-Rennen. Nicht, wo die Elfen Mondheller Bach in den Wettkampf schicken. Für den Wagen ist das praktisch ein Schaulaufen. Er gehört Fidel-al-Ambra, einem großen Elfenlord und einem ganz besonderen Freund Turais. Vor fünfzehn Jahren hat Fidel-al-Ambra ein Regiment Elfenkrieger durch die orgkischen Linien geführt, um Turai zu Hilfe zu eilen. Er ist gerade in dem Moment angekommen, als die Orgks Breschen in unsere Stadtmauer gehauen haben und viele verzweifelte turanianische Soldaten, wie zum Beispiel ich, versucht haben, sie aufzuhalten. Er hat damals die Stadt gerettet, und das haben wir ihm niemals vergessen. Seitdem hat er uns mehrmals besucht, als Ehrengast des Königs. Wegen seiner engen Beziehung zu der Stadt hat er diesmal auch einen Wagen in das Turas-Gedächtnis-Rennen geschickt.
    Das freut uns. Wir alle hier lieben Elfen. Das Einzige, was ein bisschen stört, ist, dass dieser Elfenwagen das ursprünglich ernsthafte Rennen mehr oder weniger zu einer Schauveranstaltung degradiert. Wir können hier oben nicht solche Pferde züchten, wie es die Elfen auf ihren Südlichen Inseln tun.
    Und trotzdem … Wie jeder ordentliche Spieler bin ich immer interessiert, wenn mir jemand einen Tipp gibt. Ich habe neben Senator Mursius gestanden, als die Orgks eine Bresche in die Ostwand der Stadtmauer geschlagen haben, und habe gesehen, wie er sich Mann gegen Mann ihrer wilden Streitmacht entgegengestemmt hat, welche über die Trümmer in die Stadt flutete. Hätte Mursius uns nicht angefeuert, hätten wir niemals so lange ausgehalten, bis die Elfen ankamen.
    »Mursius ist kein Mann, der seine Hoffnung auf einen aussichtslosen Fall setzt«, erkläre ich Ghurd, der damals auch dabei gewesen ist.
    »Stimmt. Aber die Besitzer von Rennstreitwagen glauben immer, dass ihre eigene Karre am Ende vorn liegt«, gibt Ghurd zurück. »Du hast schon reichlich Geld bei den Rennen verloren. Es gibt keinen Grund, noch mehr hinterherzuwerfen.«
    Ghurd und ich verlieren uns in Erinnerungen an den Krieg. Das tun wir in letzter Zeit häufiger. Die baldige Ankunft von Fidel-al-Ambra hat offenbar unser Gedächtnis angeregt. Orgks, Drachen, Mauern, die unter dem Angriff der Zauberer zerbröseln, brennende Gebäude, die verzweifelte Schlacht, das Schmettern der Fanfaren und das unerwartete Eintreffen der Elfen. Selbst mit ihrer Hilfe war es alles andere als einfach, die Orgks zu besiegen. Die Schlacht dauerte den ganzen Tag und die ganze Nacht und auch noch den nächsten Tag. Das war vielleicht ein Erlebnis! Also denke ich, dass Ghurd und ich das Recht haben, mit unserer Rolle dabei ein wenig anzugeben. Ganz gleich, ob die Zuhörer stöhnen, wenn wir unsere alten Kriegserlebnisse herauskramen und sie ordentlich lüften.
    Natürlich hat Ghurd Recht, was die Rennen angeht. Aber trotzdem … Mursius ist so spitz wie ein Elfenohr, wenn es um Wagenrennen geht. Er hat viel Erfolg gehabt. Ich fühle, wie ich in Versuchung gerate. Aber ich verbanne den Gedanken daran nachdrücklich aus meinem Kopf und widme mich wieder den Aufgaben, die vor mir liegen. Vor allem der, die verschwundenen Kunstwerke von Senator Mursius wiederzubeschaffen. Ghurd hat zwei gute Pferde im Stall stehen, und ich bitte den Stallburschen, eins für mich zu satteln, während Tanrose. Kaschemmenköchin und Objekt von Ghurds barbarischer Begierde, einen Korb mit Reiseproviant für mich packt. Ich binde mein langes Haar zurück, schiebe es in mein Wams und wickle mich in meinen Umhang.
    Als ich gerade gehen will, betritt Makri die Kaschemme.
    »Ich bin so nass wie die Decke einer Meerjungfrau«, erklärt sie, nicht zum ersten Mal übrigens. »Diese Stadt hat wirklich ein verrücktes Klima. Wenn es nicht zu heiß ist, ist es zu nass. Und jetzt ist es auch noch beides gleichzeitig.«
    Ich muss ihr Recht geben. Das Wetter in Turai ist oft unangenehm. Vier Monate lang glüht die Sonne unbarmherzig vom Himmel herunter, einen Monat lang herrscht die Heiße Regenzeit, und dann folgt etwa einen Monat lang ein angenehm temperierter Herbst.
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