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Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]

Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]

Titel: Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]
Autoren: Liane Sons
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trotzte deine Frau und deine Kinder meinem Bruder ab. Auch bei dir gebot ich Einhalt. Nur unwillig hält er sich noch zurück. Ich bin die Schicksalsgöttin und kann die Zukunft richten. Soll ich nun sagen müssen: Ich wollte ja, ein kleiner Mensch kam mir jedoch zuvor, und Gaias Spott und Hohn dafür ertragen? Soll ausgerechnet ich von unvorhergesehener Eile sprechen? Niemals! Die Zukunft, die bestimme ich. Deswegen bleibt mir jetzt nur eins … und Mensch: Halte sie ja in Ehren!«

    Er spürte Wasser auf den Lippen und leckte es dankbar ab. Tropfen, hart wie Kieselsteine, prasselten auf ihn nieder. Er wandte das Gesicht, und Matsch drang ihm in den Mund. Das Leben nach dem Tod hatte er sich wahrlich anders vorgestellt, nicht so kalt und nass und mit Katzengejammer.
    Katzen? Er öffnete die Augen und schloss sie wieder, denn Regen ergoss sich wie aus Kübeln aus rabenschwarzen Wolken. Donner grollte, und Hunde jaulten. Sein Herz schlug schneller, und seine Hände suchten seine Brust: kein Dolch und kein verkrustetes Blut unter dem Hemd! Er fuhr hoch und sah sich verwirrt um. Das flache Land lag hinter einem Wasservorhang, gerade noch den Steinkreis konnte er erkennen. Was war geschehen? Der Stich ins Herz, ein Gesicht, eine Stimme … seine Finger nestelten am Hals, fühlten die Kette und streiften sie ab. Es war kein Traum gewesen, denn das blau schimmernde, viergliedrige Geschmeide lag in seinen Händen und glitzerte auch ohne den Schein der Sonne … und Worte fielen ihm wieder ein. Und Mensch, halte sie ja in Ehren! Nun ist sie dein, die Götterkette. In ihr vereinen sich Weisheit, Stärke, Liebe und Magie. Doch neben diesen Göttergaben verleiht sie Leben. Wenn du es willst, bis in alle Ewigkeit!
    So nahm das Schicksal durch die Laune seiner Göttin einen anderen Lauf.

    Der Bauer, der sich durch sein Überleben und das seiner Familie überreich beschenkt fühlte und nie auf den Gedanken gekommen wäre, noch größeren Nutzen aus der Kette zu ziehen, gab diese zur sicheren Verwahrung seiner Frau.
    Die schlug das Schmuckstück in ihre Hochzeitsspitzen ein und legte es in das geschnitzte Kästchen, das sie als erstes Geschenk von ihrem Mann erhalten hatte. Auf den Gedanken, die Kette zu tragen, kam sie nie. Ihr Leben war einfach und hart, ein so edles Geschmeide wollte nicht dazu passen. Auch die Aussicht auf unendliches Leben reizte sie nicht, wenn sie es ohne ihren Mann verbringen sollte. Doch jeden Abend, bevor sie sich zur Ruhe legte, strich sie über das Holzkästchen, enthielt es doch das Symbol für Liebe und Güte.

    So lag die wertvolle Göttergabe zwanzig Jahre lang in Spitzen verpackt, bis zum Tag der Totenfeier. Fünf Tage zuvor war der Bauer am Fieber gestorben, seine Frau war ihm nur zwei Tage später gefolgt.
    Mit Tränen in den Augen teilten die Töchter die Hinterlassenschaft der Eltern unter sich auf. Lange betrachteten sie zum Schluss das schimmernde Geschmeide. Ihre Mutter hatte es immer geheimnisvoll lächelnd die Götterkette genannt. Andere Dinge hatten sie leicht aufteilen können, aber an diesem Schmuckstück fanden alle vier Gefallen. Die Erstgeborene kam auf die für alle annehmbare Lösung und ließ aus den vier Fragmenten der Kette Armbänder fertigen.
    Und so wurde getrennt, was nie hätte getrennt werden dürfen, denn keine der Göttergaben war losgelöst von den anderen von echtem Wert und von Dauer.

    Die erstgeborene Tochter, Dala, besaß das Fragment der Weisheit. Sie ging in den Westen und gründete zusammen mit den langlebigen Verianern die erste Gelehrtenschule. Schriftrollen und Pergamente aus allen Teilen des Reichs wurden hier zusammengetragen und gelesen. Im Laufe der Jahrhunderte verkümmerte die Weisheit zum alleinigen Streben nach Wissen.
    Die zweitgeborene Tochter, Myria, besaß das Fragment der Magie. Sie zog sich tief im Süden auf eine Insel zurück, versammelte begabte Frauen um sich und unterwies diese im Umgang mit der göttlichen Zauberkunst. Überall bediente man sich gern der Hilfe der Magierinnen, zunächst, um Krankheiten zu heilen, schließlich immer häufiger, um Kriege zu entscheiden. Zunehmend wurde die Magie zum Instrument der Macht.
    Die drittgeborene Tochter, Palema, zog mit ihrem Fragment der Stärke in den unwirtlichen Norden. Sorgten in den ersten Jahrzehnten noch die innere und die äußere Stärke für ein Gleichgewicht, gewann die äußere Stärke, die reine Körperkraft, immer mehr an Bedeutung. Um die kargen Lebensbedingungen zu verbessern,
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