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Das vielfarbene Land

Das vielfarbene Land

Titel: Das vielfarbene Land
Autoren: Julian May
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humanoiden Kinn. Ihr Körper, etwas über einen Meter hoch, war nur leicht gebeugt und bis auf das Gesicht und die Handflächen mit kurzem braunem Fell bewachsen.
    Sie fuhr fort zu rufen. Es war eine nicht in Worte gefaßte Botschaft, die jedes Junge der Spezies erkennen würde. »Hier ist Mutter. Komm zu ihr, bei ihr findest du Sicherheit und Trost!«
    Oben auf dem Grat wurde der Maquis dünner. Sie gelangte endlich ins Freie, blickte rundum und gab ein ängstliches Stöhnen von sich. Sie stand am Rand eines ungeheuren Beckens, das einen See von tiefstem Blau enthielt. Zu beiden Seiten krümmte sich der Rand zum Horizont hin. Der schmale Grat und das Steilufer zum Wasser hin waren völlig bar jeder Vegetation.
    Etwa zwanzig Meter von ihr entfernt stand ein schrecklicher Vogel. Er hatte Ähnlichkeit mit einem fetten Reiher, war aber so hoch wie eine Kiefer und ebenso lang. Flügel, Kopf und Schwanz hingen traurig zu Boden. Aus seinem Bauch wuchs ein knotiger Fortsatz mit Klettersprossen. Der Vogel war hart, nicht aus Fleisch. Was einmal eine glatte schwarze
    Haut gewesen sein mußte, war bedeckt von Staubschichten, verkrustet und verschorft mit gelben, grauen und orangefarbenen Flechten. Rings um den Rand des Einschlagkraters standen in weiten Abständen weitere derartige Vögel. Alle blickten in die dunkelspiegelnden Tiefen hinab.
    Die Ramapithecus-Frau wandte sich zur Flucht. Dann hörte sie einen ihr vertrauten Laut.
    Sie antwortete mit einem scharfen Schrei. Sofort lugte das Kind mit dem Kopf nach unten aus einer Öffnung im Bauch des nächsten Vogels. Es zwitscherte glücklich. Die Laute bedeuteten: »Fein, daß du da bist, Mutter. Das macht Spaß! Sieh dir das hier an!«
    Die Mutter erschöpft, schwach vor Erleichterung, die Hände blutend von dem Weg durch die Dornen heulte ihren Sprößling wütend an. Eilends kam er die Ausstiegsleiter des Fliegers herunter und lief zu ihr. Sie riß ihn hoch und drückte ihn an ihre Brust. Dann stellte sie ihn auf die Füße und ohrfeigte ihn links-rechts, wobei sie entrüstet schnatterte.
    um sie zu besänftigen, hielt er ihr das Ding hin, das er gefunden hatte. Es ähnelte einem großen Ring, bestand aber in Wirklichkeit aus zwei mit einem Gelenk verbundenen Halbringen. Die gedrehten Goldstränge waren fingerdick, abgerundet und mit verwinkelten Einschnitten versehen. Sie sahen wie die Löcher aus, die Bohrasseln in Treibholz machen.
    Der kleine Ramapithecus grinste und ließ die beiden in Kugeln auslaufenden Enden des Rings aufschnappen. Auf der anderen Seite wurden die Hälften von einer Art Drehscharnier zusammengehalten, das ein weites öffnen erlaubte. Das Kind legte sich den Ring um den Hals, drehte ihn und ließ den Verschluß einrasten. Der goldene Reif glänzte auf seinem bräunlichen Fell. Er war dem Kind viel zu groß, aber trotzdem lebte er vor Energie. Immer noch lächelnd, zeigte der Kleine seiner Mutter, was er jetzt fähig war zu tun.
    Sie kreischte.
    Das Kind sprang vor Schreck, stolperte über einen Stein und fiel auf den Rücken. Ehe es sich aufraffen konnte, war seine Mutter über ihm und riß ihm den Ring über den Kopf, so daß das Metall seine Ohren verletzte. und es tat weh! Der
    Verlust des Rings tat weher als jeder Schmerz, den das Kind jemals erfahren hatte. Es mußte den Ring wiederhaben ...
    Die Mutter kreischte noch lauter, als der Junge ihr den Reif wegzunehmen versuchte. Ihre Stimme brach sich am jenseitigen Ufer des Kratersees. Sie warf das goldene Ding so weit weg, wie sie konnte, mitten hinein in ein undurchdringliches Dickicht aus dünnen Ginsterranken. Das Kind jammerte protestierend, als breche ihm das Herz, aber sie faßte seinen Arm und zerrte es auf den Pfad, den sie durch den Maquis gebrochen hatte.
    Gut verborgen und nur wenig verbeult schimmerte der Reif im fleckigen Schatten.

3
    In den ersten Jahren, nachdem die Menschheit mit etwas Hilfe von ihren Freunden darangegangen war, die für menschliches Leben geeigneten Sterne zu überrennen, entdeckte ein Professor der dynamischen Feldphysik namens Theo Guderian den Weg ins Exil. Seine Forschungen wurden wie die so vieler anderer unorthodoxer, aber vielversprechender Denker jener Zeit von den unbegrenzten Subventionen der Menschlichen Sektion des Galaktischen Milieus finanziert.
    Guderian lebte auf der Alten Welt. Weil die Wissenschaft in jenen aufregenden Zeiten so viele andere Dinge zu assimilieren hatte (und weil Guderians Entdeckung im Jahr 2034 keine irgendwie geartete
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