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Das Vermächtnis des Rings

Das Vermächtnis des Rings

Titel: Das Vermächtnis des Rings
Autoren: Stefan Bauer
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Lippen zu groß für ihr Gesicht war, von den glatten, braunen Haaren und den unterschiedlichen Augenbrauen ganz zu schweigen. Wahrscheinlich würde Prinz Adalberts Mutter die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Melinda wünschte sich brennend, mit ihrer schönen Schwester tauschen zu können.
    »Prinz Adalbert ist dick und hat einen Kloßkopf«, sagte Jolanda vom Fenster. »Wenn Lohenhohe nicht all diese Silberminen hätte, würde ihn keine einzige Prinzessin auch nur anschauen.«
    Melinda seufzte noch einmal. Genauso redeten die Leute wahrscheinlich auch über sie: »Wenn diese Bohnenstange nicht ganz Feodonien erbte, würde sie kein einziger Mann auch nur anschauen.«
    »Er ist sicher ein sehr netter Kerl«, sagte sie traurig. »Klug, witzig,…«
    »Ganz sicher nicht«, sagte Jolanda mit Nachdruck.
    König Feodor hatte für die Festplanung ein neues Amt vergeben, das Amt des ›Vergnügungsmeisters‹, und dieser Mann hatte ein halbes Jahr damit verbracht, lustige Spiele für das Fest auszutüfteln, bei denen man sich auf ganz ungezwungene Weise kennen lernen konnte. Abends, beim großen Ball, würde getanzt werden, was die beste Art war, um sich näher zu kommen, aber daran war im hellen Nachmittagslicht natürlich nicht zu denken.
    Als Erstes stand Schach mit lebenden Figuren auf dem Plan. Der Vergnügungsmeister hatte ein riesengroßes Schachfeld bauen lassen und Kostüme bereitgestellt, die ihre Träger in Springer, Läufer, König und Turm verwandelten. Die Rollen wurden per Los verteilt, aber der Vergnügungsmeister hatte dafür gesorgt, dass Jolanda das Los mit der schwarzen Dame, Melinda das Los mit der weißen Dame zog.
    Melinda hängte sich den bestickten Umhang aus weißer Seide um die Schultern und bemerkte unglücklich, dass sie den Prinzen, der ihren weißen König darstellte, um Haupteslänge überragte. Von den weißen Figuren war nur ein Springer und der linke Turm größer als sie, aber das lag an dessen gewaltiger Haube. Die Rolle des weißen Turmes war nämlich der Mutter von Prinz Adalbert zugewiesen worden, die sich allerdings standhaft weigerte, das dazugehörige Kostüm anzuziehen. Sie behielt ihre Haube auf und erlaubte lediglich, dass man ein weißes Band um ihren Ärmel band. Obwohl das Schachfeld recht großzügig bemessen worden war, war die Königin von Hohenlohe so umfangreich, dass der Saum ihrer Röcke die benachbarten Felder berührte. Der Springer an ihrer Seite musste auf einem Bein stehen und schwankte, um Gleichgewicht bemüht, hin und her. Wenn Melinda sich nicht so unwohl gefühlt hätte, wäre sie bei diesem Anblick in Gelächter ausgebrochen.
    Als alle Rollen verlost waren, blieben noch zwei Spieler übrig, Prinz Adalbert von Hohenlohe und Guy von Gilesbury. Guy von Gilesbury stand ganz hoch oben auf König Feodors Liste, denn Gilesbury war groß, fruchtbar und voller Bodenschätze, reicher und noch mächtiger als Feodonien. Guys Vater hatte seinerzeit mit den Ländereien von Berryfield eine Menge Land an sich gebracht, und Guy war fest entschlossen, in seine Fußstapfen zu treten, wenn er auch nicht vorhatte, um Feodonien zu würfeln. Wegen dieser alten Geschichte war der Ruf seines Vaters nicht eben der beste, viele hielten es für unfair, einen König auf diese Weise zu enteignen. Seit sein Vater tot war, versuchte Guy daher sein Bestes, dem Namen Gilesbury wieder einen Ehrfurcht gebietenden Klang zu verleihen. Erst im vergangenen Monat hatte er höchstpersönlich einen dummen Riesen von einem kleinen Stück Land an seiner Grenze vertrieben, auf dem eine ergiebige Goldader lag. Der Riese hatte dort gelebt, ohne die Goldader überhaupt zu beachten, aber seine Angewohnheit, ausgewachsene Bäume samt Wurzeln auszurupfen und damit um sich zu schlagen, hatte die Menschen davon abgehalten, auch nur in seine Nähe zu kommen. Guy hatte das Gerücht vernommen, der Riese sei nach all den Jahren nun alt und kränklich geworden, und er hielt den Zeitpunkt für gekommen, die Goldmine ein für alle Mal in seinen Besitz zu bringen.
    Nun muss man Guy zugute halten, dass er durchaus vorgehabt hatte, den Riesen in einem spektakulären Zweikampf zu besiegen. Dass der Riese bereits mausetot vor seiner Höhle gelegen hatte, als Guy und seine Männer angekommen waren, kann man Guy nicht zum Vorwurf machen. Dass er seine Männer allerdings trotzdem dazu anhielt, die Geschichte eines glorreichen Zweikampfes zu verbreiten (sie bekamen dafür eine Extra-Prämie Gold sowie neue Rüstungen),
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