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Das Vermaechtnis

Das Vermaechtnis

Titel: Das Vermaechtnis
Autoren: Emily Bold
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im warmen Licht des Sonnenuntergangs – war einfach magisch, und ich hatte das Gefühl, meine Wurzeln zu meinen schottischen Vorfahren hier ganz deutlich zu spüren. Außerdem war die Stadt auch beruhigend weit vom Friedhof bei Auld a´chruinn und dem geheimnisvollen Gedenkstein der fünf Schwestern entfernt. Noch immer überkam mich eine Gänsehaut, wenn ich daran dachte, was dort mit mir geschehen war.
    Ich schmiegte mich näher an Payton und genoss seinen vertrauten Duft.
    „Was immer du wünschst, mein Herz“, murmelte er in mein Haar und küsste meinen Scheitel.
    Was immer ich mir wünschte? Wenn das so einfach wäre! Obwohl ich mich gerade so wohl fühlte, spürte ich die Schatten der Vergangenheit näher kommen.
    „Denkst du oft an die Vergangenheit?“, fragte ich daher leise.
    Payton schwieg, streichelte aber weiter meinen Rücken. Ich meinte schon, er hätte mich nicht gehört, als er dumpf, ohne jede Emotion, antwortete.
    „Es vergeht kein Tag, Sam, an dem ich nicht an die dunkle Zeit zurückdenke. Noch immer herrscht diese Leere irgendwo in mir. Auch wenn meine Liebe zu dir mich nach und nach diese … dieses Grauen vergessen lässt und jede neue und schöne Erinnerung an dich mein Herz leicht macht, weiß ich doch, dass ich nicht mehr der Mann bin, den du damals verlassen hast.“
    Er schwieg wieder, aber diesmal spürte ich, dass er noch etwas sagen wollte. Ich ermutigte ihn, indem ich meine Hand auf seine Brust legte, dorthin, wo der Dolch, der mir den Tod bringen sollte, eine tiefe Wunde gerissen hatte.
    „Jedes Mal, wenn ich dich ansehe, Sam, frage ich mich, ob du mich damals nicht mehr geliebt hast als heute.“
    Ich wollte widersprechen, ihm versichern, dass es egal sei, weil zu allen Zeiten er es war, weil ich doch immer ihn geliebt hatte und lieben würde, aber sein Finger auf meinen Lippen verhinderte dies.
    „Lass mich ausreden. Ich weiß, was du sagen willst, mo luaidh … es ist nur so, dass ich selbst wünschte, der Mann zu sein, der ich vor dem Fluch war. Dass ich selbst wünschte, zu fühlen, was ich damals gefühlt habe, denn … dich in jenem Moment gehen zu sehen … es hat auch noch den letzten Funken Hoffnung in mir sterben lassen, Sam.“
    Ich fühlte seinen schnellen Herzschlag, der verriet, wie bewegt er war, wie schwer es ihm fiel, darüber zu sprechen. Endlich sein Schweigen zu brechen und mich an seinen Gefühlen teilhaben zu lassen.
    „Ich liebe dich, Sam, mehr als mein Leben, aber wenn du wissen willst, ob ich oft an die Vergangenheit denke, dann muss ich sagen: Ja, denn ich wünschte, wir … wir hätten uns nicht so einfach … aufgegeben“, murmelte er.
    Aufgegeben! Ich setzte mich auf. Ich spürte das Zittern in meinen Knochen, als ich ihm in die Augen sah. Es schien, als verhinderte dichter Nebel den Blick in seine Seele, als sperrte er mich aus, wie zu der Zeit, als er den Fluch und seine Geschichte vor mir geheim hielt.
    „Ich hab dich nicht aufgegeben, Payton! Ich hab dich gerettet! Wär ich nicht zurückgekommen, würdest du längst nicht mehr leben! Du … du hast mich doch fortgeschickt“, flüsterte ich, und der ganze Schmerz brach über mich herein. Meine Lunge brannte, so sehr drängte das Schluchzen in meine Kehle. Kalter Schweiß lief mir den Rücken hinab, so verkrampfte ich mich bei dem vergeblichen Versuch, ruhig zu bleiben. Ich wäre am liebsten davongerannt.
    Payton stand auf. Er war hilflos, das konnte ich sehen. Er fuhr sich durch sein kurzes Haar und verschränkte abweisend die Arme vor der Brust. Die lange Zeit ohne jedes Gefühl machte es ihm nicht so leicht, jetzt gut mit ihnen umzugehen. Die Muskeln an seinen Armen traten vor Anspannung hervor.
    „ Tha mi duilich “, entschuldigte er sich. „Ich weiß, ich verhalte mich wie ein Idiot. Du kannst das nicht verstehen, Sam. Diese Zeit … sie war so unendlich lang ohne dich. Als ich dich letztes Jahr kennenlernte, da empfand ich das zunächst noch anders. Erst dadurch, dass du durch die Zeitreise meine Erinnerung verändert hast, wurde die Sehnsucht nach dir geboren und der Fluch um ein Hundertfaches verstärkt.“
    Hilflos zuckte er mit den Schultern. „Ich wünschte, ich wäre stark genug gewesen, schon damals um dich und deine Liebe zu kämpfen. Ich wünschte, ich hätte irgendwie versucht, dem Fluch zu trotzen und dich nie gehen lassen, Sam – auch wenn das bedeutet hätte, heute nicht mehr am Leben zu sein.“
    Ein Kampf tobte in seinen Augen, ein Kampf, dessen Ausgang ungewiss war.
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