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Das Vermaechtnis

Das Vermaechtnis

Titel: Das Vermaechtnis
Autoren: Emily Bold
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Zweifel. Es sollte nicht einmal Zweifel geben! Ich war in Edinburgh, bei Payton McLean, dem Schotten, dem ich mein Leben verdankte und den ich zugleich mehr liebte als mein Leben. Wir hatten so viel durchgestanden, Hürden gemeistert, die höher waren, als unser Verstand uns begreifen ließ, und Feinde besiegt, die nichts weniger wollten als unsere Vernichtung.
    Das war im letzten Jahr gewesen.
    Nun wich der Sommer erneut dem Herbst, und die Zeit half uns, unsere Wunden zu heilen. Vom lebensrettenden Schnitt mit dem Dolch, an welchem das Blut der Hexe Vanora geklebt hatte, war auf Paytons Brust nur noch eine kaum sichtbare Linie übrig.
    Auch bei mir verblassten die Schrecken der Erinnerung allmählich. Zwar würde ich meine Reise in die Vergangenheit nie vergessen, aber die Gefahren, denen ich dort ausgesetzt gewesen war, hatten in meinem neuen Leben keinen Bestand.
    Ich lächelte Payton an und versuchte zu ergründen, wie er sich fühlte, nun, da wir offiziell zusammenlebten. Die dunkle Sonnenbrille bedeckte zwar seine goldgesprenkelten Augen, aber er wirkte zufrieden.
    „Wollen wir reingehen?“, fragte er und deutete mit dem Kopf auf die Tür.
    Ich nickte, und er küsste mich sanft auf die Stirn. Dann schloss er seine starken Arme um mich und trug mich über die Schwelle.
    „Jetzt mach nicht so ein Gesicht. Es ist doch kein Abschied für immer“, versuchte Payton, mich zu beruhigen, aber seine Worte rissen genau die Wunde wieder auf, die einfach nicht heilen wollte.
    Scheiße, ich war ein echtes Wrack! Ich bemühte mich tapfer um ein Lächeln und vergrub mein Gesicht an seiner Brust, damit er meinen Schmerz nicht sah. Nie hätte ich für möglich gehalten, dass ausgerechnet er der Grund für mein Unglück sein könnte. Und dennoch war es so.
    Wir liebten uns – mehr als überhaupt möglich war. Wir waren füreinander bestimmt, das stand außer Frage. Jeder von uns hatte für den anderen dem Tod ins Auge gesehen. Wir hatten einem – nein, sogar zwei Flüchen getrotzt, und unsere Liebe hatte durch alle Zeit Bestand.
    Zweihundertsiebzig Jahre hatte Payton darauf gewartet, mich wiederzusehen, um den aus Hass geborenen Fluch mit Liebe zu brechen. Diese Jahre hatten ihn geprägt, ihn stark verändert. Ich musste es wissen, denn es war mir während meiner Zeitreise vergönnt gewesen, auch den Payton zu treffen und zu lieben, der er früher war, ehe Vanoras Fluch ihm alles genommen hatte. Ich schluckte, denn wie immer, wenn ich daran zurückdachte, wurde mir die Kehle eng.
„Ich liebe dich, Payton“, versicherte ich ihm. „Ich werde es immer tun, und wenn ich bei dir bleiben könnte, dann …“
    „Sam, mo luaidh, sei still. Du hast es selbst gesagt, du gehörst hier nicht her. Morgen um diese Zeit erreichen wir die Kate, und bis dahin möchte ich dir nahe sein. Ich will deine Haut, deine Wärme spüren und deine Küsse schmecken. Ich will mir den Glanz deines Haares einprägen und deiner Stimme lauschen. Der Himmel hat dich mir geschickt, damit ich mein Schicksal ertragen kann, darum lass uns nicht zurückblicken, sondern die wenige Zeit nicht vergeuden.“
    „Aber Payton, wenn du wüsstest, was ich getan habe, dann …“
    „Nein, Sam! Sag nichts! Egal, was du getan hast, und egal, was ich getan habe. Schuld und Hass dürfen nicht das Einzige, was ich noch habe, überschatten.“ Wenn ich jetzt noch weiter darüber nachdenken würde, wie groß meine Schuld an dem Fluch, an seinem Schicksal und seinem Leid war, dann würde ich unseren ersten gemeinsamen Abend in der Wohnung in Tränen aufgelöst verbringen.
    Payton schloss die Tür der gemütlichen Altbauwohnung hinter uns, ohne mich abzusetzen.
    „Was wollen wir nun machen, Sam?“, flüsterte er mir ins Ohr und wandte uns den im Wohnzimmer aufgetürmten Umzugskartons zu.
    „Sollen wir die auspacken …“, er drehte sich um, sodass wir nun in Richtung Schlafzimmer standen, „… oder soll ich dich auspacken?“, fragte er, und seine Lippen zuckten verführerisch.
    Sofort wurde mir leichter ums Herz. Ich musste endlich lernen, mit meiner Schuld zu leben, so, wie Payton mit seiner würde leben müssen. Ich schlang ihm meine Arme um den Nacken und küsste ihn.
    „Morgen kommen Sean und Ashley – sie könnten uns helfen“, schlug ich vor und deutete aufs Schlafzimmer, in dem die frische Farbe noch ihren drückenden Geruch verströmte.
    Payton schritt feierlich durch die Tür und ließ mich sanft auf das Bett gleiten. Er legte sich neben mich und schob
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