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Das verbotene Glück der anderen

Das verbotene Glück der anderen

Titel: Das verbotene Glück der anderen
Autoren: Manu Joseph
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müssen jetzt gehen.»
    «Es ist heilbar, Somen. Die Suche nach der Wahrheit ist in den meisten Fällen eine Geistesstörung. Unni hat das gewusst, glaub mir.»
    «Wie zu erwarten war, ist das Lebenssyndikat in meine Festung eingedrungen. Während ich mächtig werde und über die Grenzen des Wahns hinausblicke, schickt mir das Syndikat seinen erbärmlichen Agenten. Gehen Sie, Ousep. Man benutzt Sie, merken Sie das nicht? Die dunklen Mächte des Lebens benutzen Sie, um mich aus meinem Zustand herauszuholen. Verschwinden Sie.»
    «Ich habe einen Sohn verloren», sagt Ousep. «Ich will nicht, dass noch ein Junge stirbt, weil er nicht begreift, was mit ihm los ist.»
    «Auf Wiedersehen, Ousep.»
    «Komm mit», sagt Ousep und streckt seine Hand entschlossen aus. «Komm, Somen. Auch du bist mein Sohn. Komm aus deinem Zimmer heraus.»
    «Ousep, die Welt, die Sie mir draußen zeigen werden, ist nur ein noch größeres Zimmer.»
    Ousep geht, ohne ein Wort zu sagen. Als er in die düstere Diele tritt und die Tür hinter sich zumacht, erheben sich Somens Eltern mit ihren müden Gesichtern von ihren Sesseln und wollen sich mit ihm unterhalten. Doch er verlässt einfach das Haus und geht hinaus in die Nacht. Erleichtert und vermutlich zum letzten Mal in seinem Leben geht er die schmale, unbefestigte kleine Straße hinunter.
    ~
    Als er seine Wohnung betritt, erschrickt seine Frau, die mit den Händen in den Hüften am Sofa lehnt. Sie ist immer noch in Gedanken und braucht einen Augenblick, bis sie begreift, dass Ousep nach Hause gekommen ist, stillschweigend und ohne zuvor laut lamentiert zu haben.
    «Warum bist du nicht betrunken?», fragt sie.
    «Hab’s vergessen. Ich weiß nicht, wieso», antwortet er.
    «Ist dir nicht gut?»
    «Ich bin müde. Wo ist Thoma?»
    «Er ist in seinem Zimmer und schläft», sagt sie.
    Ousep will eigentlich in sein Zimmer gehen, steht aber weiter in der Diele, weil sie ihn ansieht, als sei er neu. Er erwidert ihren Blick und versucht zu verstehen, was mit ihr los ist. Sie atmet jetzt tief ein und kann eindeutig nicht anders. Dabei blickt sie ihn weiterhin an, die Hände immer noch in die Hüften gestemmt.
    «Was?», sagt er.
    Sie keucht, ein Schaudern befällt sie, aber sie sagt: «Es ist nichts.» Ousep legt ihr die Hand auf die Schulter. Ihre Schulter ist stark und hat vergessen, wie man Zuneigung annimmt. Siefühlt sich an wie Stein, und deshalb zieht Ousep seine Hand wieder zurück.
    Ousep geht in sein Zimmer, zieht sich um, macht das Licht aus und geht ins Bett. Er ist müde, wird aber nur ein Nickerchen machen, das weiß er. Und das wird es dann auch, ein traumloses, gedankenloses, seichtes Nickerchen. Wie er erwartet hat, weckt sie ihn auf. Er hört ihre Stimme: «Ich muss dir etwas sagen.»
    Als er aufsteht und sie sein Zimmer verlässt, kann er ihre Gestalt kaum erkennen. Ringsum ist es dunkel, und draußen herrscht Stille. Die tiefe, vollkommene nächtliche Ruhe überrascht ihn. Was für einen Überfall er jede Nacht verübt, wenn er diese stabile Stille stört. Er trägt ein Hemd, dessen Ärmel er selbst angenäht hat, und geht in die Diele. Es ist, als trete er aus dem Zimmer, um die Nachricht eines weiteren Todes entgegenzunehmen. Die Diele wird vom Licht in der Küche beleuchtet. Sie sitzt auf dem Sofa, das immer noch mit demselben alten Laken umhüllt ist. Sie sitzt am einen Ende, und er setzt sich vorsichtig ans andere Ende, wobei er sich zu erinnern versucht, wo der Schaumgummi das große Loch hat, in das sich ihr Vermieter einst gesetzt hatte. So sitzen sie da und blicken geradeaus, wie ein Ehepaar, das sich fotografieren lassen will und nur noch auf seine fröhlichen Söhne wartet, die zwischen ihnen sitzen sollen. Sie sieht stark und sogar ruhig aus. «Thoma hat Mythili alles über Philipose erzählt», sagt sie. «Das war heute. Daraufhin hat Mythili etwas zu ihm gesagt, worüber ich den ganzen Abend nachgedacht habe. Und zwar hat sie gesagt: ‹Philipose hätte sich umbringen sollen, nicht Unni.› Das waren ihre Worte, Mythilis Worte.»
    Ousep ist zu fassungslos, um etwas zu sagen, und sitzt wortlos da. Er spürt dasselbe Gewicht auf der Brust wie in Iyengars Wagen, so, als umarmte ihn ein kräftiger Junge heftig. Er versucht,sich die Abfolge der Ereignisse vorzustellen, wie sie sich am Tag von Unnis Tod zugetragen haben könnten.
    Mariamma dreht sich zu ihm, weil sie eine Antwort von ihm erwartet, ist sich aber nicht sicher, ob er sie verstanden hat. Also sagt er mit ruhiger,
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