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Das Urteil

Titel: Das Urteil
Autoren: John Grisham
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sofort zu engagieren und zu klagen, solange sich das Klagen lohnte.
    In der Regel unterhielten sich die Männer über andere Dinge, wenn sie allein waren; aber der Alkohol hatte ihre Zungen gelockert. Die Bitterkeit drängte an die Oberfläche. Sie lehnten am Geländer der Terrasse, starrten ins Wasser und begannen, die Anwälte und das amerikanische Haftungsrecht zu verfluchen. Jeder ihrer Konzerne hatte in Washington Millionen von Dollar an verschiedene Gruppen gezahlt, die versuchten, die Haftungsgesetzgebung zu ändern, damit verantwortungsvolle Konzerne wie die ihren vor Prozessen geschützt werden konnten. Sie brauchten einen Schutzschild gegen diese sinnlosen Attacken von angeblichen Opfern. Aber wie es schien, hatte alles nichts genützt. Und jetzt saßen sie irgendwo im finstersten Mississippi und mußten schon wieder einen Prozeß durchstehen.
    Die Großen Vier hatten auf den ständig wachsenden Druck durch die Gerichte reagiert, indem sie Geld in etwas einzahlten, das einfach Der Fonds genannt wurde. Er war unbeschränkt und hinterließ keine Spuren. Er existierte nicht. Der Fonds wurde für skrupellose Taktiken bei Prozessen genutzt: zum Anheuern der gerissensten Verteidiger, der glattzüngigsten Sachverständigen, der erfahrensten Jury-Berater. Der Fonds hatte uneingeschränkten Handlungsspielraum. Nach sechzehn Siegen fragten sie sich manchmal selbst, ob es etwas gab, was der Fonds nicht bewirken konnte. Jeder Konzern schöpfte jährlich drei Millionen ab und ließ das Geld im Kreis herumwandern, bis es schließlich im Fonds gelandet war. Kein Buchhalter, kein Finanzexperte, kein Steuerprüfer hatte je von diesem Schwarzgeld Wind bekommen.
    Der Fonds wurde von Rankin Fitch verwaltet, einem Mann, den sie alle verabscheuten, dem sie aber trotzdem zuhörten und, wenn es sein mußte, auch gehorchten. Und jetzt warteten sie auf ihn. Sie kamen zusammen, wenn er sagte, sie sollten zusammenkommen. Auf seinen Befehl hin reisten sie ab und kehrten zurück. Solange er gewann, ertrugen sie es, nach seiner Pfeife tanzen zu müssen. Fitch hatte schon bei acht Prozessen die Fäden gezogen. Er hatte außerdem dafür gesorgt, daß zwei weitere ergebnislos abgebrochen wurden, aber dafür gab es natürlich keine Beweise.
    Ein Assistent erschien mit einem Tablett voll frischer Drinks auf der Veranda, jeder nach speziellen Anweisungen gemixt. Die Gläser wurden gerade vom Tablett genommen, als jemand sagte: »Fitch ist da.« Die Gläser schossen gleichzeitig hoch und dann wieder nieder - jeder der vier hatte rasch einen großen Schluck gekippt.
    Sie eilten ins Wohnzimmer, während Fitch seinen Wagen unmittelbar vor der Haustür halten ließ. Ein Assistent reichte ihm sein Mineralwasser, ohne Eis. Er trank nie Alkohol; in einem früheren Leben hatte er allerdings so viel konsumiert, daß ein Kahn darauf hätte schwimmen können. Er bedankte sich nicht bei dem Assistenten und nahm auch seine Anwesenheit nicht zur Kenntnis, sondern bewegte sich zu dem imitierten Kamin und wartete darauf, daß sich die vier auf den Sofas um ihn scharten. Ein weiterer Assistent wagte sich mit einem Teller voller übriggebliebener Shrimps und Austern heran, aber Fitch winkte ab. Es ging das Gerücht, daß er gelegentlich etwas aß, aber er war noch nie dabei beobachtet worden. Der Beweis war allerdings vorhanden, die massige Brust und die füllige Taille, der fleischige Wulst unter seinem Spitzbart, die allgemeine Dicklichkeit seines Körpers. Aber er trug dunkle Anzüge und hielt das Jackett zugeknöpft und schaffte es hervorragend, seine Masse mit Würde zu tragen.
    »Eine kurze Zusammenfassung«, sagte er, sobald er das Gefühl hatte, lange genug darauf gewartet zu haben, daß die großen Bosse sich niederließen. »In diesem Augenblick arbeitet das gesamte Team der Verteidigung nonstop, und dabei wird es auch das ganze Wochenende über bleiben. Die Geschworenen-Recherchen verlaufen planmäßig. Die Prozeßanwälte sind bereit. Alle Zeugen sind vorbereitet, alle Sachverständigen bereits in der Stadt. Bis jetzt ist nichts Ungewöhnliches zu vermelden.«
    Es folgte eine Pause, lediglich eine kleine Unterbrechung sie warteten, um sicher zu sein, daß Fitch fürs erste fertig war.
    »Was ist mit diesen Geschworenen?« fragte D. Martin Jankle, der nervöseste der vier. Er leitete U-Tab, wie es früher genannt wurde, die Abkürzung für eine alte Firma, die jahrelang Union Tobacco geheißen hatte, aber nach einer Marktbereinigung jetzt unter dem
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