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Das Unsterblichkeitsprinzip

Titel: Das Unsterblichkeitsprinzip
Autoren: Jeffrey Lang
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feststellen, denn der untere Teil des Körpers reichte über den gegenüberliegenden Rand des Simses hinweg.
      Soong hielt die Lampe so, dass er ein Auge der Gestalt sehen konnte, nahm dann den Rucksack ab und holte den Strukturverstärker hervor. Während er ihn vorbereitete, reaktivierte er den Kommunikator. »Dr. Waslowick?«, fragte er. »Ira? Vielleicht sollten Sie hierher kommen…«

   
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    Erster Teil

1
     
      » E s war eine dunkle und sehr stürmische Nacht…«
      Commander Bruce Maddox glaubte, sich verhört zu haben, beugte sich durch die Wartungsluke und fragte: »Wie bitte?«
      Er hatte nach einer gelockerten Verbindung oder einem defekten isolinearen Chip gesucht, nach irgendeiner Erklärung für die energetischen Fluktuationen, aber es gab keinen Grund zu der Annahme, dass auch Emil daran dachte. Manchmal glaubte Maddox, dass bei Emil irgendetwas locker saß. Etwas, durch das man zu einem Genie wurde. Soweit es Maddox betraf, gab es daran nicht den geringsten Zweifel: Emil Waslowick war ein Genie, wenn auch manchmal ein sehr lästiges.
      Bei verschiedenen Gelegenheiten im Laufe seiner Karriere hatten bestimmte Leute Maddox als Genie bezeichnet und heute fragte er sich, ob es vor dem Substantiv unausgesprochene Adjektive gab. Wie könnten sie lauten? , überlegte er während eines seltenen Moments der Introspektion. Doch dann schüttelte er den Kopf und der Moment verstrich. Nicht relevant für das Projekt, dachte er und überprüfte mit dem Tricorder eine weitere Verbindungsstelle. Das Wort »relevant« spielte eine wichtige Rolle in Maddox’ Vokabular, und deshalb fand er Emil Waslowicks Angewohnheit, in Rätseln zu sprechen, so ärgerlich.
      »Ich sagte: ›Es war eine dunkle und sehr stürmische Nacht ‹.«
      »Ich hab’s gehört«, erwiderte Maddox und lehnte sich mit dem Rücken an eine Konsole. »Aber was bedeutet das?«
      »Es bedeutet nichts«, sagte Waslowick und es lag mehr als nur ein wenig Heiterkeit in seiner Stimme. »Ich habe aus dem Fenster gesehen und die Gewitterwolken bemerkt. Sie erinnerten mich an den Anfang des Romans Paul Clifford. Er ist recht berühmt. Beziehungsweise berüchtigt.«
      Waslowick holte tief Luft. »›Es war eine dunkle und sehr stürmische Nacht‹«, sagte er. »›Der Regen fiel in Strömen – abgesehen von kleinen Pausen, während derer heftige Böen ihn durch die Straßen trugen (denn diese Szene ist in London angesiedelt), an Dächern rüttelten und die Flammen der Lampen flackern ließen, die gegen die Dunkelheit ankämpften.‹« Er hielt inne und sah Maddox an, der sich von der Konsole abstieß.
      Maddox hielt sich nicht unbedingt für einen Meister der Literaturkritik, aber diesmal hielt er es für angebracht, eine Meinung zu äußern. »Das ist… schrecklich.«
      Waslowick lachte. »Hinterlässt einen schlechten Geschmack im Mund, nicht wahr? Der Autor des Romans heißt Edward Bulwer-Lytton. Er schrieb viele solche Sachen im neunzehnten Jahrhundert. Der grässliche Kram machte ihn so berühmt, dass später eine literarische Agentur einen Wettbewerb zu seinen Ehren veranstaltete. Es ging darum, den schlechtesten Anfang eines Romans zu schreiben.«
      Maddox musterte den Alten und hielt nach Anzeichen dafür Ausschau, dass er scherzte. Waslowick hatte einen sehr eigenwilligen Sinn für Humor, doch diesmal schien er es ernst zu meinen.
      »Warum?«, fragte Maddox. »Welchen Sinn hat es, etwas Schlechtes zu schreiben?«
      Waslowick zuckte mit den Schultern, doch in seinen Augen blitzte es amüsiert. »Keine Ahnung. Es geschah im zwanzigsten Jahrhundert. Wer weiß, welche Gründe die Leute damals für irgendetwas hatten? Selbsterkenntnis – oder auch nur aufgeklärtes Interesse an Persönlichkeitsstrukturen – schien nicht in ihrer Natur zu liegen. Ich schätze, man hielt es einfach nur für eine gute Idee.«
      Maddox überprüfte die Anzeigen des Tricorders, um nicht sofort wieder in die Konsole hineinkriechen zu müssen. »Und was hat das damit zu tun, dass ich bis zur Hüfte in isolinearen Chips und EPS-Leitungen stecke?«
      »Es ist eine dunkle und stürmische Nacht, obwohl ein Wetterkontrollnetz den Planeten schützt«, erklärte Waslowick.
      »Vielleicht hat das Problem, dem Sie auf den Grund zu gehen versuchen, gar nichts mit den Installationen dieses Laboratoriums zu tun. Vielleicht liegt es am Wetter.«
      Maddox sah aus dem Fenster. Waslowick hatte Recht: Es war
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