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Das Tier

Das Tier

Titel: Das Tier
Autoren: Sandra Gernt , Sandra Busch
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Gewicht tragen, geschweige denn das des Jungen. Doch der süße Duft der Freiheit lockte ihn voran, darum kämpfte er verbissen.
    „Das Tier! Das Tier ist frei!“ Der Ruf erscholl aus allen Verliesen und eilte ihm voraus. Allzu bald schon hörte Thars metallisches Klappern. Er witterte den Gestank der Wärter, die sich zusammenrotteten, um ihn in die Enge zu treiben. Oh, er würde es darauf ankommen lassen, er sehnte sich danach, kämpfend sterben zu dürfen! Aber was würde dann mit seinem Engel geschehen? Cyrian würde in einem solchen Kampf sicherlich verwundet werden und sterben! Außerdem hatte das Schwein, das ihn geschlagen hatte, ihm die Nase gebrochen. Derart verschandelt würde er sich nicht verkaufen können und müsste Hunger leiden. Wenn die Nase anschließend verkrümmt blieb, wäre er womöglich zu entstellt, um mit seinem Körper sein Brot zu verdienen.
    Thars hielt an und witterte in alle Richtungen. Gleichgültig, wie sehr die klare Nachtluft ihn verführte, er wollte einen besseren Weg finden …
    Er konnte die Kanäle riechen, jene Rohre, die Unrat und Regenwasser unterhalb des Kerkers zum Meer brachten. Und wo war der Einstieg?
    Noch bevor er sich entschieden hatte, welche Richtung er nehmen wollte, begann in dem Verlies neben ihm jemand zu schreien.
    „Es ist hier! Das Tier, es ist hier, kommt her!“ Der Gefangene schlug mit aller Kraft gegen die Tür. Das Gebrüll wurde in den Nachbarverliesen aufgenommen und schon bald war der Lärm so infernalisch, das er Thars‘ empfindliche Sinne regelrecht betäubte. Er musste raus, sofort, raus!
    Gehetzt drehte er sich im Kreis. Überall waren Gänge. Keiner führte zur Kanalisation. Was sollte er tun, wohin sollte er fliehen? Er musste Cyrian in Sicherheit bringen!
    Scharfer Schmerz schnitt in seinen rechten Oberschenkel, Thars heulte auf. Er war angeschossen worden! Als er herumwirbelte, seine kostbare Last auf den Schultern balancierend, starrte er in das bleiche Gesicht eines jungen Wärters. Die Hände des Mannes krampften sich um eine Pistole, die er weiterhin erhoben hielt; doch er zitterte derart stark, dass er nicht auf Thars anlegen konnte. Langsam humpelte Thars auf ihn zu.
    „Bitte … Bitte …“, wimmerte der Wärter. Thars nahm ihm sanft die Waffe ab und schaute ihn an. Das dort vor ihm war kein Mörder. Seine Seele hatte gerade erst begonnen zu verderben und zu verrohen, so wie es jedem erging, der die absolute Macht über Gefangene erhielt.
    „Gib mir die Schlüssel“, sagte Thars leise.
    „Wa… wa… was?“
    „Die Schlüssel. Jetzt.“
    Angstschlotternd löste der Wärter das Schlüsselbund von seinem Gürtel und reichte es Thars an. Seit dem Schuss war es selig ruhig geworden. Er spürte die Blicke der Gefangenen, die durch jede Ritze starrten. Sie warteten darauf, dass er den Jungen dort in Fetzen riss, er konnte ihre lüsterne Gier nach blutigem Schauspiel wittern. Grollend schubste er den Wärter zu Boden und humpelte auf eine Kammer in der Nähe zu. Der Moment der Stille hatte gereicht, sich zu orientieren. In dieser Kammer gab es eine Luke, die hinab in die Kanalisation führte. Leider konnte er nicht wittern, welcher der zahllosen Schlüssel die Tür öffnete. Ihm entglitt von neuem die notwendige Konzentration, denn mittlerweile hatten die Gefangenen wieder zu Lärmen begonnen, offenkundig enttäuscht darüber, dass er ein Leben verschont hatte. Der Wärter kroch winselnd umher, zumindest er würde Thars keinen Kummer mehr machen.
    Cyrians bewusstloser Körper lastete schwer auf seinen Schultern und er wusste, die anderen Wächter würden ihn bald finden. In fliegender Hast stieß er einen Schlüssel nach dem anderen in das Schloss. Verdammt, irgendeiner musste passen!
    Diesmal warnten ihn seine Sinne rechtzeitig. Der Gestank eines Mörders drang beißend in seine Nase. Thars schaffte es nicht mehr, Cyrian zu Boden gleiten zu lassen, da verengte sich bereits sein Sichtfeld, alles wurde rot – der wilde Zorn ...

Cyrian erwachte, als er in kaltes, erbärmlich stinkendes Wasser eintauchte. Er konnte nicht atmen! Das Gefühl zu ersticken wurde noch stärker, als er zurück an die Oberfläche gelangte und feststellen musste, dass man seine Nase anscheinend zu Matsch geprügelt hatte und sein Mund mit Wasser gefüllt war. Hustend und spuckend zappelte er, bis er endlich durchatmen konnte. Luft! Gleichgültig wie sehr sie stank, es war Luft. Luft war Leben. Und er … Er hing quer über breite Schultern und wurde fest
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