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Das Testament der Götter

Das Testament der Götter

Titel: Das Testament der Götter
Autoren: Christian Jacq
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Reisenden beschützen, der jeden Morgen an GOTT würde denken müssen, um die Wirksamkeit der Talismane zu erhalten.
    So blieb Paser nur noch, seine Ledersandalen zu nehmen, doch nicht etwa, um sie überzustreifen, sondern um sie in der Hand zu tragen; wie seine Landsleute würde er barfuß wandern und die kostbare Fußbekleidung nur gebrauchen, um in eine Behausung zu treten, nachdem er sich den Staub des Weges abgewaschen hätte. Er versicherte sich der Festigkeit des Riemens, der zwischen dem großen und dem zweiten Zeh durchführte, sowie des guten Zustands der Sohle; zufrieden verließ er das Dorf, ohne sich nochmals umzudrehen.
    Als er die schmale Straße einschlug, die sich über die Anhöhen schlängelte, welche den Nil überragten, berührten unversehens feuchte Nüstern seine rechte Hand.
    »Wind des Nordens! Du bist entwischt … Ich muß dich auf dein Feld zurückbringen.«
    Der Esel wollte davon nichts wissen; er begann ein Zwiegespräch, indem er ihm den rechten Fuß entgegenhielt, den Paser ergriff. {9} Der Richter hatte ihn dem Jähzorn eines Bauern entrissen, der ihn mit Stockhieben prügelte, weil er den Strick, der ihn an seinen Pflock band, durchgebissen hatte. Das Tier ließ einen gewissen Hang zur Unabhängigkeit und eine besondere Fähigkeit erkennen, die schwersten Lasten zu tragen.
    Wind des Nordens schien entschlossen, bis zu seinem vierzigsten Jahr mit zu beiden Seiten seines Rückgrats aufliegenden Säcken zu fünfzig Kilo  durchs Leben zu gehen, und war sich offensichtlich bewußt, soviel wert zu sein wie eine gute Kuh oder ein schöner Sarg. Paser hatte ihm ein Feld geschenkt, auf dem er allein grasen durfte; dankbar düngte er dieses bis zur Zeit der Überschwemmung. Mit einem scharfen Ortssinn ausgestattet, fand Wind des Nordens sich vollendet im verschlungenen Geflecht der Pfade auf dem Lande zurecht und trottete häufig allein von einem Punkt zum anderen, um Waren auszuliefern. Genügsam und sanftmütig, wie er war, mochte er nur bei seinem Herrn in Frieden schlafen.
    Wind des Nordens wurde so geheißen, da er von Geburt an die Ohren gespitzt hatte, sobald die milde, während der heißen Jahreszeit so sehr geschätzte Brise aus dem Norden wehte.
    »Ich gehe weit fort«, wiederholte Paser, »Memphis wird dir nicht gefallen.«
    Der Hund rieb sich am rechten Vorderfuß des Esels. Wind des Nordens verstand Bravs Zeichen und drehte sich freudig zur Seite, um den Reisebeutel entgegenzunehmen. Paser packte den Vierbeiner sanft beim linken Ohr.
    »Wer ist der Störrischere von uns?« Paser gab das Ringen auf; selbst ein Esel hätte den Kampf abgebrochen. Wind des Nordens, von nun an für das Gepäck verantwortlich, setzte sich an die Spitze des Zuges und schlug, ohne sich zu irren, den geradesten Weg zur Anlegestelle ein. Unter der Herrschaft Ramses’ des Großen zogen die Reisenden ohne Furcht über die Pfade und Wege des Landes; sie wanderten unbeschwert umher, ließen sich sorglos im Schatten der Palmen nieder, um zu plaudern, füllten ihre Schläuche mit dem Wasser der Brunnen, verbrachten friedliche Nächte am Rain der Felder oder am Ufer des Nils, standen mit der Sonne auf und legten sich mit ihr schlafen. Sie begegneten PHARAOS Boten und den Beamten der Briefbeförderung; bei Bedarf wandten sie sich an die Ordnungshüter auf Erkundungsgängen. Weit lag die Zeit zurück, in der man allenthalben Entsetzensschreie vernahm, in der Räuber die Armen oder Reichen ausplünderten, die es wagten, sich auf Reisen zu begeben. Ramses verschaffte der öffentlichen Ordnung Achtung, ohne die keinerlei Glück möglich war. {10} Mit sicherem Schritt nahm Wind des Nordens den schroffen Abhang in Angriff, der im Fluß endete, als wüßte er im voraus, daß sein Herr beabsichtigte, das nach Memphis abfahrbereite Schiff zu nehmen. Die drei gingen an Bord; Paser bezahlte den Preis der Fahrt mit einem Stück Stoff. Während die Tiere schliefen, betrachtete er das an ihm vorbeiziehende Ägypten, das die Dichter mit einem gewaltigen Schiff verglichen, dessen Seitenwände von Gebirgszügen gebildet wurden. Hügel und Felswände, die bis auf dreitausend Meter anstiegen, schienen die Pflanzungen zu schützen. Hochebenen, von kleinen, mehr oder minder tiefen Tälern zerschnitten, schoben sich bisweilen zwischen das schwarze, fruchtbare, freigebige Land und die rote Wüste, in der gefährliche Mächte umherstreiften. Paser überkam jäh das Verlangen, wieder ins Dorf zurückzukehren und es nie mehr zu verlassen.
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