Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Testament der Götter

Das Testament der Götter

Titel: Das Testament der Götter
Autoren: Christian Jacq
Vom Netzwerk:
habe ich dir nach dem Tode deiner Eltern deinen geheimen Namen offenbart. Paser, ›der Seher, der in der Ferne erkennt‹ … Als der Ältestenrat ihn dir zuteilte, hat er sich nicht geirrt. Was kann man von einem Richter mehr verlangen?«
    »Ich bin damals gerade beschnitten worden, das Dorf hat mir meinen ersten Würdenschurz geschenkt, ich habe mein Spielzeug weggeworfen, gebratene Ente gegessen und roten Wein getrunken. Welch ein schönes Fest!«
    »Der Heranwachsende ist rasch zum Manne geworden.«
    »Zu rasch?«
    »Jedem sein Maß. Du, du bist Jugendlichkeit und Reife im selben Herzen.«
    »Ihr wart es, der mich erzogen hat.«
    »Du weißt, daß das nicht stimmt; du hast dich allein geschmiedet.«
    »Ihr habt mich lesen und schreiben gelehrt, Ihr habt mir ermöglicht, das Gesetz zu entdecken und mich ihm zu widmen. Ohne Euch wäre ich ein Bauer geworden und hätte mein Land mit Liebe beackert.«
    »Du bist von anderem Wesen; die Größe und das Glück eines Landes fußen auf den Fähigkeiten seiner Richter.«
    »Gerecht zu sein … das ist ein tagtäglicher Kampf. Wer könnte sich brüsten, stets als Sieger daraus hervorzugehen?«
    »Du hast den Wunsch dazu; das ist die Hauptsache.«
    »Das Dorf ist ein Hort des Friedens; diese traurige Angelegenheit ist außergewöhnlich.«
    »Bist du nicht zum Aufseher des Kornspeichers benannt worden?«
    »Der Bürgermeister möchte, daß mir die Stellung des Verwalters von PHARAOS Feld zuerkannt wird, um die Streitigkeiten während der Ernten zu vermeiden. Die Aufgabe reizt mich nicht; ich hoffe, er wird damit scheitern.«
    »Dessen bin ich gewiß.«
    »Weshalb?«
    »Weil du für eine andere Zukunft auserkoren bist.«
    »Ihr macht mich neugierig.«
    »Man hat mir einen Auftrag anvertraut, Paser.«
    »Der Palast?«
    »Der Gerichtshof von Memphis.«
    »Sollte ich einen Fehler begangen haben?«
    »Im Gegenteil. Seit zwei Jahren verfassen die Aufsichtsbeamten der Landrichter nichts als schmeichelhafte Berichte über dein Verhalten. Du bist gerade in den Gau von Gizeh zum Nachfolger eines verstorbenen Gerichtsbeamten berufen worden.«
    »Gizeh ist so weit weg von hier!«
    »Einige Tagesreisen zu Schiff. Du wirst in Memphis deinen Wohnsitz beziehen.«
    Gizeh, die unter allen erlauchte Stätte; Gizeh, wo sich Cheops’ Große Pyramide erhob, der rätselhafte Kraftquell, von dem der innere Friede des Landes abhing, jenes ungeheure Bauwerk, das allein der herrschende Pharao betreten durfte. »Ich bin glücklich in meinem Dorf; ich bin hier geboren, ich bin hier aufgewachsen, ich arbeite hier. Es zu verlassen, wäre eine große Prüfung.«
    »Ich habe deine Ernennung unterstützt, da ich glaube, daß Ägypten dich braucht. Du bist nicht der Mann, der seine Eigenliebe über alles stellt.«
    »Ein unwiderruflicher Beschluß?«
    »Du kannst ablehnen.«
    »Ich muß darüber nachdenken.«
    »Des Menschen Körper ist weiträumiger als ein Kornspeicher; er ist mit unzähligen Antworten angefüllt. Wähle die gute; möge die schlechte darin verschlossen bleiben.« Paser ging auf die Böschung zu; sein Leben stand in diesem Augenblick auf dem Spiel. Er hatte nicht die mindeste Lust, seine Gewohnheiten, die friedlichen Augenblicke des Glücks in seinem Dorf und der thebanischen Landschaft aufzugeben, um sich in einer großen Stadt zu verlieren. Doch wie konnte er Branir, dem Mann, den er vor allen anderen verehrte, eine Weigerung entgegensetzen? Er hatte sich geschworen, seinem Ruf zu folgen, unter welchen Umständen auch immer.
    Am Ufer des Flusses schritt erhaben ein großer, weißer Ibis einher, dessen Kopf, Schwanz und Flügelspitzen schwarz gefärbt waren. Der prächtige Vogel hielt inne, tauchte seinen langen Schnabel in den Morast und wandte seinen Blick dem Richter zu. »Das Tier des Thot hat dich ausgewählt«, verkündete der im Schilf ausgestreckte Schäfer Pepi mit seiner rauhen Stimme. »Du hast keine Wahl.« Der siebzigjährige Pepi war ein alter Murrkopf, der sich nicht binden mochte. Mit den Tieren allein zu sein, schien ihm der Gipfel der Glückseligkeit. Er weigerte sich beharrlich, jedweden Befehlen zu gehorchen, wußte seinen Knotenstock gewandt zu handhaben und sich in den Papyruswäldern zu verbergen, wann immer die Steuerbeamten wie ein Schwarm Sperlinge über das Dorf herfielen. Paser hatte es aufgegeben, ihn vor das Gericht zu laden. Der Greis duldete nicht, daß man eine Kuh oder einen Hund mißhandelte, und übernahm es selbst, den Quäler zu züchtigen; in dieser
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher