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Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)

Titel: Das Tarot der Engel: Dritter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
Autoren: Marisa Brand
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Weihrauchfässer von ihren Hälsen baumelten. Er würde seinen Glauben für sich behalten oder vergessen, so wie die Menschen aus dem Norden ihre Zauberei mit Alraun und Galgenstricken vergessen hatten – nach außen zumindest.
    Nat pulte Pastetenreste aus seinen Zähnen. »Religion interessiert mich nicht. Ich glaub nur, was ich weiß, und mach meinen Job: Euch unbeschadet zum Gefängnis bringen – aber nicht hinein.«
    Er lachte über seinen Witz und bog auf den Marktplatz ein. Mondlicht tauchte ihn in unbestimmtes Grau. Die Blicke des Pagen huschten nervös hin und her. Landsknechte unterschiedlichster Nationen strichen auf der Suche nach Raufhändeln, gepanschtem Ale und einem flinken Paarungsspiel zwischen vergatterten Marktbuden entlang. Schleppdegen kratzten scharf übers Pflaster. Diese streunenden Mietsoldaten waren die Pest. Der Kronrat und das Parlament holten sie für die ständigen Grenzschlachten mit den Schotten oder als Reserve für Scharmützel mit Frankreich auf die Insel. Verfeindete Adelssippen mieteten sie, um Handstreiche anzuzetteln, wenn ihnen die Zeit für einen Machtwechsel reif schien. Denn in Wahrheit regierte natürlich nicht der Knabenkönig Edward die Insel, sondern sein jeweiliger Vormund.
    Erst ein Jahr war es her, dass Lord Dudley, der derzeitige Herrscher im Kronrat, seinen Vorgänger Seymour mit einer Landsknechtarmee aus dem Zentrum der Macht gefegt hatte. Standen aber weder Staatsstreiche noch Revolten oder Kriege an, versetzten die Mietsöldner Londons Bürger in Angst und Schrecken.
    Beim Schandpfahl in der Platzmitte entdeckte der Page die Huren. Gebannt starrte er auf die blitzenden Brüste und das schwellende Fleisch, das die Frauen zur Schau stellten. Der Page tappte, wie an einem unsichtbaren Faden gezogen, auf den Pranger zu. Die Huren verfielen in gurrende Lockrufe, als wollten sie das Schlachtgeflügel imitieren, das sie tagsüber für Pfenniglöhne rupften. Nat ging grüßend vorbei. Der Page straffe seinen schlaksigen Körper und wollte vorbeistolzieren.
    Ein Weib mit geschminkten Wangen vertrat ihm den Weg. Sie riss seinen Umhang auf, griff ebenso kundig wie beherzt nach der Schamkapsel, die als gebogenes Horn aus dem Schritt seiner Pluderhose vorsprang, und drückte fest zu. Der Page klappte zusammen wie ein Schnappmesser und stieß ein Winseln aus, das an Schmerz und körperliche Liebe zugleich denken ließ.
    »Schwestern, eine Jungfrau! Kein Flaum auf den Wangen und zu viel Rosshaar im Hosenbeutel!« Sie drückte sanfter zu. »Lass mich dein Hähnchen aus dem Nest holen.«
    Der Page erstarrte, die Hure lachte wissend. Gesunde Zähne zählten nicht zu ihren Reizen. Der Jüngling sprang fluchend zur Seite und versank in einer gärenden Masse. Die Masse furzte, blutige Federn wirbelten auf, eine aufgestörte Ratte quiekte und biss nach ihm.
    Die Weiber johlten, während der Page abwechselnd errötete und erbleichte. Seine Scham schmerzte umso heftiger, weil er in seiner Hose eine Reaktion auf die Handgriffe der Dirne registrierte. Ein Trüppchen Landsknechte feuerte die Dirnen an. Hilflos tastete der Page nach seinem Lämmerdolch.
    »Den will ich nicht sehen«, grölte die Hure. »Zeig mir lieber, wie du unter deinen Beinkleidern bewaffnet bist.«
    Ihre Stimme nahm einen geschäftlichen Ton an. »Für fünf Pence lass ich dein Krummhorn stramm stehen, für einen halben Shilling deine Hose musizieren.« Die Landsknechte applaudierten. Wieder streckte sie die Hand nach dem Jüngling aus. »Ich wette, an unserem fromm gewordenen Hof öffnet keine Dame ihr Schatzkästlein für einen Frischling wie dich.«
    Der junge Mann schlug ihre Hand weg.
    »Fünf Pence sind Wucher, Bessie. Einen halben Shilling hast du im Leben noch nicht in der Hand gehabt.« Wie aus dem Nichts war Nat zwischen den Landsknechten aufgetaucht. »Zwei Pence! Und dafür nimmst du ihn mit in die Kammer!«
    »Aber beschütt ihn ordentlich mit Wein, sonst taugt er nichts«, grölte ein Söldner.
    »Verflucht. Ich will keine Hure«, zischte der Page in Nats Ohr. »Schon gar nicht die!«
    »Tut wenigstens so«, zischte der Junge zurück.
    An Bessie gewandt, sagte er laut: »Überleg es dir. Wir schauen uns derweil das Galgenfutter im Irrenstall an.«
    »Bei Nacht?«, fragte Bessie erstaunt, doch sie war schon abgelenkt von den tastenden Händen eines Soldaten, dem zwei Pence locker saßen.
    »Die Narren sind durchgehend verrückt, und heut scheint die Säuferlaterne.« Nat wies zum Mond. »Frau Luna macht
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