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Das Tal der Hundertjährigen

Titel: Das Tal der Hundertjährigen
Autoren: Ricardo Coler
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Lebenserwartung hingegen bezieht sich darauf, wie lang der Abschnitt dieser Straße ist, den jeder Einzelne
     von uns erleben darf. Es ist müßig zu erwähnen, dass außer in Vilcabamba die Mehrzahl der Menschen das Ende nie |37| erreicht, irgendwann überqueren sie die Straße, und ihre Spur verliert sich auf der anderen Seite.
    Eine unausgewogene Ernährung, Stress und Giftstoffe verkürzen unsere Lebenserwartung bekanntermaßen. Um bei dem Bild zu bleiben:
     Wenn die Straße sauber bleibt, werden wir es wahrscheinlich einige Meter weiter schaffen. Bis heute hat sich die Forschung
     darauf konzentriert, herauszufinden, wie man möglichst viel Strecke machen kann. Aber warum eigentlich einhundertzwanzig und
     nicht zweihundert oder dreihundert Jahre?
    Unsere Zellen sterben aus verschiedenen Gründen ab. Einer davon ist, dass die Enden der DNA beim Reproduktionsprozess nicht
     vollständig dupliziert werden. So wird der Strang immer kürzer, bis die Zelle sich am Ende überhaupt nicht mehr teilt. Die
     Zellalterung ist kein Mysterium, sie ist ein biologischer Prozess; man kann versuchen, korrigierend auf ihn einzuwirken. Es
     gibt ein Enzym, das dafür sorgt, dass die Enden der DNA bei der Zellteilung nicht verkürzt werden. Seine Aktivität nimmt jedoch
     mit zunehmendem Alter ab. Einigen Tumoren gelingt es, dieses Enzym zu reaktivieren und ein ungehemmtes Zellwachstum auszulösen,
     das dem Organismus schadet.
    Vielleicht erlaubt es uns der wissenschaftliche Fortschritt ja irgendwann, dieses Enzym nachzubauen, |38| so dass wir unsere Lebensstraße um ein Gutteil verlängern können.
    Wir haben eine festgefügte Vorstellung über das Altern und den Tod: Sie sind unvermeidlich. Man könnte sich das Altern aber
     auch als Programm denken, das in einem bestimmten Moment gestartet wird und dafür sorgt, dass unsere Zellen ihre Funktion
     einstellen. Und dann käme ein Hacker, der dem Organismus vorgaukelte, dass die Zeit für die Aktivierung des Programms noch
     nicht gekommen sei … Wir könnten hundertzwanzig werden und wären immer noch jung!
    Im Organismus läuft die Zeit nicht chronologisch ab. Das Alter, das der Kalender anzeigt, wirkt sich nicht bei allen Menschen
     gleich aus. Fünfzig ist nicht gleich fünfzig. Bis jetzt ist es unmöglich, die biologische Zeit mit der Präzision einer Armbanduhr
     zu messen.

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    Etwas ist anders in Vilcabamba. Überall begegnet man alten Menschen. Auf den ersten Blick unterscheiden sie sich allerdings
     nicht so sehr von den Alten, die ich kenne. Nach einer Weile erst geht mir auf, was einen aufmerken lässt: Während alte Menschen
     bei uns oft gebrechlich wirken, das Haus nicht mehr verlassen können und auf den Arzt warten, laufen die Herrschaften in Vilcabamba
     munter und leichtfüßig durch die Straßen oder reiten auf Eseln die Bergpfade entlang.
    Madre Tierra – ich habe mein Ziel vor Augen. Idyllisch liegt der New-Age-Tempel an einem Berghang.
    Hausherrin Carol ist überzeugt, dass die besonderen Umweltbedingungen – die saubere Luft und die energetisierenden Teilchen
     – den Bewohnern des Madre Tierra ein längeres und besseres Leben bescheren, als es die Menschen irgendwo anders auf der Welt
     führen. Konsequenterweise ist man hier sehr bemüht, alle Abläufe so zu gestalten, |40| dass die Umwelt möglichst wenig beeinträchtigt wird.
    Als Erstes fällt auf: Es gibt keinen Lärm.
    Mit Bedacht wurde hier alles sehr ursprünglich gehalten. Das Gebäude wurde ausschließlich mit natürlichen Materialien erbaut,
     und alle Mahlzeiten stammen zu einhundert Prozent aus ökologischem Anbau. Dazu werden ein Tee und ein aus achtzehn Kräutern
     gebrautes Getränk gereicht. Und natürlich Wasser. Natürliches Wasser, beste Qualität.
    Den Hauptgrund für die Langlebigkeit, auch wenn es wissenschaftlich nicht belegt ist, sehen viele in der besonderen Güte des
     Gletscherwassers von Vilcabamba. Schließlich werden hier nicht nur die Menschen über hundert, sondern auch unter den Hunden
     sind fidele Greise, sprich fünfundzwanzig Jahre, keine Seltenheit. Neben dem Wasser und dem sorgfältig zusammengestellten
     Speiseplan des Madre Tierra hat angeblich die mit negativen Ionen angereicherte Atmosphäre einen positiven Effekt. Zusätzlich
     wirken Yoga- und Meditationskurse, Wellness und Massagestunden regenerativ. Das Personal ist freundlich, das Ambiente unglaublich
     angenehm und entspannend. Die Räume sind mit Blumen und ecuadorianischem Kunsthandwerk
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