Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Syndikat

Das Syndikat

Titel: Das Syndikat
Autoren: Fran Ray
Vom Netzwerk:
Kerl er doch war und wie verquer sie sein musste, wenn sie nicht genauso empfand. Karen stöhnte leise auf, während sie sich mit dem Sicherheitsgurt abmühte.
    »Kenn ich Sie nicht aus dem Fernsehen?« Der Taxifahrer musterte sie im Rückspiegel.
    »Karen Burnett«, antwortete Michael für sie, »sie ist es, ja.« Er warf ihr ein Lächeln zu. Dieser blöde Sicherheitsgurt, sie stocherte immer noch am Verschluss herum.
    »Aber ...« Der Taxifahrer drehte sich zu ihr um. »Waren Sie nicht ... vermisst?«
    »Sie meinen Jane Burnett, meine Mutter.« Sie klang unfreundlicher, als sie wollte. Michael drückte ihr beschwichtigend die Hand.
    »Oh, entschuldigen Sie, aber diese Ähnlichkeit«, sagte der Taxifahrer erschüttert. »Fürchterlich! Meine Frau und ich haben alle ihre Reportagen gesehen, und wenn sie in den Nachrichten kam ... Sie war immer so ... so mutig, ich hab sie bewundert. Es tut mir leid, das mit Ihrer Mutter.«
    »Könnten Sie sich bitte beeilen«, sagte Karen nur, und Michael drückte ihr wieder die Hand.
    »Ich tu, was ich kann«, sagte der Taxifahrer rasch, »aber das Wetter ... Alle Straßen sind verstopft, und die Tram hängt an jeder festgefrorenen Weiche fest. Tja, höhere Gewalt.« Dann gab er endlich Gas, und der Wagen schlitterte über die vereiste Straße.
    Höhere Gewalt ... Gewalt ...
    In letzter Zeit tauchte dieses Wort ständig in ihrem Leben auf. Sie hatte sich eine Sig Sauer besorgt. Handlich. Zuverlässig. Schießübungen hatte sie schon vor Afghanistan gemacht. Nach ihrer Rückkehr aus Kabul war sie vier Tage lang nicht mehr ohne die Waffe aus dem Haus gegangen, hatte sie in ihrer Handtasche sogar zum Einkaufen mitgenommen. Bis sie ihr rausfiel, an der Kasse, als sie gleichzeitig nach ihrem Portemonnaie und dem klingelnden Handy kramte. Die Leute in der Schlange hatten sie entsetzt angesehen, und die Kassiererin war bleich geworden. Karen hatte sich wortlos gebückt und die Waffe wieder in die Handtasche gesteckt. Dann hatte sie gezahlt, ihre Tüten genommen und war gegangen. Natürlich ließ sie sich dort nicht mehr blicken.
    Und selbst heute, sie war schon fertig angekleidet, war sie noch mal ins Arbeitszimmer gegangen, hatte unter den Schreibtischsessel gegriffen und den Lauf berührt. Ruckartig hatte sie die Hand weggezogen und die Zimmertür zugeknallt. Wenn sie sie in der Handtasche hätte, würde sie den ganzen Abend an dieses Schießeisen denken.
    »Warum bleiben die Leute nicht einfach zu Hause?« Michael pochte gegen das Seitenfenster. Das metallische Geräusch kam von seinem Ehering. Unwillkürlich berührte sie ihren. Ihren neuen, nachdem sie ihr den alten weggenommen hatten. Michael hatte ihn gleich am Tag nach ihrer Rückkehr aus Afghanistan gekauft. Als hätte sich nichts verändert.
    Ketten von gelben und roten Autoscheinwerfern zogen sich über die Fahrbahnen. Auspuffqualm stieg auf. Weiter vorn glühten Neontafeln im feuchten Nebel.
    »Gibt’s keinen anderen Weg?«, fragte sie ungeduldig.
    »Nein«, der Taxifahrer ließ die Hände aufs Lenkrad fallen. »Wir müssen hier durch.«
    Eine Weile konzentrierte sie sich auf den Sekundenzeiger ihrer Armbanduhr. Sie zählte. Doch das machte sie noch nervöser. Seit sechs Minuten schon steckten sie fest. Obwohl die Ampel regelmäßig auf Grün schaltete, bewegten sich die Autos vor ihnen nicht.
    Eingeklemmt ... ein Fahrzeug vor ihnen, eines hinter ihnen, drei Männer, keine Möglichkeit auszuweichen ... Sie hat es kommen sehen, alle haben es kommen sehen, befürchtet ... und dann passiert es. Das vordere Auto bremst, das hintere rammt sie, da schießen sie schon, der Fahrer sackt zusammen, sie kommen, zerren sie aus dem Auto ...
    Sie spürte, wie sich etwas Schweres auf ihre Brust legte und ihr die Luft abdrückte. Ihr brach der Schweiß aus. Sie musste ... musste raus.
    »Ich steig aus.« Die eine Hand löste den Gurt, die andere schnappte nach dem Türgriff.
    »Hier?«, Michael hob übertrieben die Brauen.
    »Du kannst ja hier drin sitzen bleiben!« Sie stieß die Tür auf. Schneeregen klatschte ihr ins Gesicht. Egal.
    »Warte!« Michael zahlte den Taxifahrer und stieg aus. Er lief hinten um das Taxi herum und folgte ihr über einen Wall aus Schneematsch.
    Sie stolperte, trat in eine Pfütze, fluchte, ihr Haar löste sich unter der Kapuze, Schneeregen peitschte ihr ins Gesicht. Das Make-up hätte sie sich sparen können. Sie musste aussehen, als wäre sie gerade aus dem Überlebenscamp geflohen. Ausgerechnet
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher