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Das Südsee-Virus

Das Südsee-Virus

Titel: Das Südsee-Virus
Autoren: Dirk C. Fleck
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Insel unterwegs war, um sich über den ökologischen Neuaufbau zu informieren, den der junge Präsident Omai in nur neun Jahren im Einverständnis mit der Bevölkerung radikal in Szene gesetzt hatte. Da waren die Begegnungen mit Maeva, der Schwester Omais, die ihm als offizielle Begleiterin zur Seite gestellt worden war und die ihm in liebenswerter Manier die technischen wie gesellschaftspolitischen Errungenschaften Tahitis nahegebracht hatte. Als erstem Ausländer war ihm die Ehre zuteilgeworden, einer im alten Geiste abgehaltenen Gerichtsverhandlung beizuwohnen. Ebenso außergewöhnlich war die Tatsache, dass man ihn gebeten hatte, auf dem One Tree Hill einen Stein ins Rollen zu bringen, um den Tahitianern auf diese Weise alles erdenkliche Glück zu wünschen. Die Fahrten im Reva Tae, der Besuch auf Raiatea, das Popoiessen zu Steves Abschied – je mehr Details ihm vor Augen kamen, desto stärker wurde die Erinnerung an jene wunderbaren Tage, in denen seine Liebe zu Maeva wie in Zeitlupe aufzublühen schien.
    Dass diese Liebe überhaupt eine Chance hatte, verdankte er ironischerweise der Gier von Global Oil, dem größten Energiekonzern der Welt. Normalerweise durfte kein Besucher länger als drei Monate auf Tahiti verweilen. Auf diese Weise versuchte man die Zahl der Bevölkerung stabil zu halten, um sicherzustellen, dass die vorhandenen Ressourcen der Insel nicht über Gebühr strapaziert wurden. Der illegale Zugriff auf die Manganvorkommen in den Küstengewässern Polynesiens aber hatte dazu geführt, dass die Regierung in seinem Fall eine Ausnahme machte. Zusammen mit dem jungen Computerfreak Steve hatte er im Internet den internationalen Widerstand gegen Global Oil organisiert. Das Ergebnis kannte heute die ganze Welt. Cording betastete das Tattoo, das ihm der Schamane Rauura in einer schmerzhaften Zeremonie nach dem Abzug der Hebetanker verpasst hatte und das Auskunft gab über seine Verdienste, die er sich im Kampf gegen Global Oil erworben hatte. Mit diesem Tattoo war er in der tahitianischen Gemeinschaft akzeptiert. Seltsamerweise hatten die Tahitianer damit weniger Probleme als er selbst. Das hing wohl damit zusammen, dass er besser als sie zu beurteilen vermochte, wie fatal sich das extrem positive Image, das Tahiti in der Welt neuerdings wieder genoss, auf die Lebensqualität vor Ort auswirken könnte. Die Verbindung von Südseemythos und Ökoparadies war nicht zu schlagen. Das weckte Begehrlichkeiten, und wenn sie nur touristischer Natur waren.
    Solange Omai Präsident war, konnte man sicher sein, dass die Insel sich dem Ansturm verweigerte. Seit Maeva ihrem Bruder im letzten Jahr ins Amt gefolgt war, war das anders geworden. Für sie war Tahiti eine Art Ökolabor, das jedem Interessierten offenzustehen hatte. In der Universität von Faaa fand ein Umweltkongress nach dem anderen statt. Scharen von Ökofreaks bevölkerten die Insel. Tahiti befand sich wieder auf dem Präsentierteller, es betrieb zwar keinen Ausverkauf seiner Kultur wie noch vor zwanzig Jahren, aber es bediente in gewohnter Manier die Träume einer zu kurz gekommenen Welt.
    »Hallo! Entschuldigen Sie bitte! Hallo, hier sind wir …!«
    Cording hob den Kopf. Vier hektisch winkende Gestalten standen am Ufer, eine ältere Dame, ein Herr im gleichen Alter sowie ein junges Pärchen. Sie hatten Rucksäcke umgeschnallt, trugen Shorts und Wanderschuhe.
    »Ich fürchte, wir haben uns verlaufen«, rief die ältere Dame, indem sie mit den Händen einen Trichter formte. »Können Sie uns sagen, wie wir zur Biogasanlage von Mahaena kommen!?«
    Cording deutete nach Osten.
    »Danke!«, schrie das Mädchen. »Mauruuru roa!« Die Gruppe winkte und verschwand lachend im Busch.
    Er tauchte ab und schwamm auf die Felsplattform zu. Als er sich aus dem Wasser stemmte, stockte ihm der Atem. Nur wenige Schritte entfernt glaubte er im Schatten des Blätterwerks eine Gestalt zu erkennen, die ihn mit verschränkten Armen beobachtete. Kein Zweifel, es war Rauura, der ihn in aller Seelenruhe musterte. Der Schamane war von den Haarwurzeln bis zu den Zehen tätowiert. Wie vor fünf Jahren, als er dem Meister das erste Mal begegnet war, hatte Cording auch diesmal den Eindruck, dass sich die Konturen des Mannes ständig in Auflösung befanden. Und wie damals irritierten ihn auch diesmal dessen Augen, von denen das linke in ein schwarzes Quadrat gebettet war, während das rechte unterhalb eines solchen im Licht lag. Ausgerechnet Rauura wurde Zeuge, wie er das Bad der
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