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Das Südsee-Virus

Das Südsee-Virus

Titel: Das Südsee-Virus
Autoren: Dirk C. Fleck
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seiner Kinderklamotten entledigte, um wieder in die Uniform des Freizeitkapitäns zu schlüpfen.
    »Was wollen Sie von mir?«, fragte er seinen vermummten Aufpasser.
    »Die Wahrheit«, antwortete dieser und schubste seine prominente Geisel zurück in die Kajüte, wo seine Mitstreiter gerade dabei waren, eine Minikamera auf einem Stativ zu installieren. Sie drückten Morgan in den Sessel, zwangen ihn, die aktuelle Ausgabe des »Boston Globe« hochzuhalten, und hängten ihm ein handgeschriebenes Plakat um den Hals: »GENERAL FRANCIS MORGAN IM INTERVIEW MIT EARTH FIRST!«
    »Ist es richtig, General«, hörte Morgan den Vermummten sagen, »dass Sie Mitglied eines von der NATO gebildeten transatlantischen Thinktanks waren, dessen Aufgabe es war, neue Militärstrategien zu entwickeln, damit die Regierungen der Industriestaaten im Zeichen des Klimawandels ordnungspolitisch gerüstet sind?«
    »Das ist richtig«, antwortete Morgan leise.
    »Wer außer Ihnen gehörte dieser illustren Gesellschaft noch an?«
    Morgan wischte nervös mit den flachen Händen über die Lehne: »Es handelte sich um die fünf ehemaligen Generäle und Generalstabschefs Jacques Lacroix aus Frankreich, Henk van den Breunen aus den Niederlanden, Klaus Neukirchen aus Deutschland, Lord Peter Inglewood aus Großbritannien und John Shakashvili aus den USA.« Er sagte das in einem Ton, als würde er sein eigenes Todesurteil verlesen.
    »Erzählen Sie uns über die Motive dieser Veranstaltung.«
    »Vor dem Hintergrund der klimatischen Umwälzungen und Ressourcenkonflikte waren die USA und andere westliche Staaten daran interessiert, sich eine unangreifbare Position zu sichern, nach innen wie nach außen.«
    »Können Sie uns das bitte näher erläutern?«
    »Natürlich. Eine der Hauptgefahren, der sich die Regierungen der Industriestaaten heute gegenübersehen, sind die enormen Bevölkerungswanderungen, die durch den globalen Klimawandel ausgelöst werden. Auch im Inneren eines Landes. Wasserknappheit, Dürre, Naturkatastrophen – das alles führt zu chaotischen, ja anarchischen Zuständen, denen nur mit militärischen Mitteln begegnet werden kann, wenn man einen Rest an Ordnung und sozialer Sicherheit aufrechterhalten will. Das dürfte selbst Ihnen einleuchten …«
    Der General schien seine anfängliche Überraschung über den Überfall abgeschüttelt zu haben. Er war nicht gefesselt worden, niemand zielte mit der Waffe auf ihn, so schlimm konnte es also nicht sein. Daher schien es ihm ratsam, in die Offensive zu gehen. Schließlich verteidigte er ein Strategiepapier, das längst Bestandteil offizieller Politik geworden war, auch wenn die Öffentlichkeit davon nicht die geringste Ahnung hatte.
    »Im Zeichen des Klimawandels bleibt uns unter sicherheitspolitischen Erwägungen gar nichts anderes übrig, als genau so zu handeln«, fuhr er süffisant fort. »Es geht um die Frage, wie angesichts von Überschwemmungen, Dauerdürren und dem massiven Verlust an Grund- und Trinkwasser die staatliche Ordnung aufrechterhalten werden kann. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, wurden und werden seitens der NATO weitreichende politische, rechtliche und selbstverständlich auch militärische Strukturen geschaffen, die sowohl gegen die eigene Bevölkerung als auch gegen andere Staaten in Stellung gebracht werden.«
    Laureen, die sich inzwischen aus ihrem Nuttengeschirr geschält hatte, verpasste dem General eine so kräftige Ohrfeige, dass seine Kapitänsmütze bis vor die Kommode segelte. Morgan wischte sich das Blut von der Nase.
    »Das schneiden Sie sicher raus …«, bemerkte er zynisch. »Herrgottnochmal«, entfuhr es ihm, »seien Sie doch nicht so verdammt blauäugig! Es ist davon auszugehen, dass der Meeresspiegel noch in diesem Jahrhundert um mehrere Dezimeter steigt. Dann sind außer den flachen Küstenregionen 21 Megastädte von Überschwemmungen betroffen. Es wird also zu enormen Versorgungsengpässen kommen. Auch in den USA und Europa. Die Frage lautet somit: Wer besitzt die Verfügungsgewalt über die knappen Ressourcen, wer entscheidet über Versorgung oder Nichtversorgung der Menschen?«
    Er blickte seine Bewacher höhnisch an. »Die Weltgetreidevorräte sind in diesem Jahr auf den niedrigsten Stand geschrumpft, der je gemessen wurde«, fügte er triumphierend hinzu. »Vergessen Sie die Tortillaunruhen in Mexiko, die Pastademonstrationen in Italien und den Aufruhr in Pakistan, Mauretanien und im Senegal im vergangenen Jahr, das war erst das
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