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Das spanische Medaillon

Das spanische Medaillon

Titel: Das spanische Medaillon
Autoren: Tom Wolf
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instruiert, denn es musste ihm natürlich klar sein, dass sich nun zwei Lesende auf die mit Adler verzierten amtlichen Blätter stürzen würden.
     
    Actum No. 5
    Königlich=Preußische Ober=Criminal=Commission
Der Policey=Präsident
Criminal=Rolle, No. 34/1809; pag. 59
    Delikt: Mord und Verstümmelung
    Tatwaffe: unbekannt, geändert n. ärztlicher Diagnose: Beil Name des Opfers: von Kapell, Karl August
    Wohnort: Gut Ludwigienau bei Deetz a. d. Havel
    Ort der Tat: Familiengruft, der frei im Raum auf
einem Sockel stehende steinerne Sarg
des Opfers
geändert n. ärztlicher Diagnose:
unbekannt
    Datum und Stunde: Dec. 18./19., 1809, zw. 8 und 11 Uhr
abends
    Zeugen: 1 von Kapell, Anna Ludwigia (Ehefrau)
2 Johann, Hermann (Kammerdiener)
3 Priebsch, Antonia (Wirtschafterin)
4 Groß, Michael (Hofmeister)
5 Drehwitz, Karl (Großknecht)
6 Hillse, Rutbert (Kutscher)
    Bericht
    Anzeige Nachricht durch 5 / 6 am 19. Dec. gegen 8 Uhr beim Polizeiposten Wustermark; Abgang der Nachricht nach Berlin per Meldereiter.
    Hergang der Untersuchung Lokaltermin durch den Direktor designatus in Kriminalpolizeisachen v. Schlechtendal nebst Kriminalassistent v. Helmbrecht/Berlin; Eintreffen derselben gegen 11 Uhr ad locem. Zuvor Absicherung des locus delicti durch Polizeimeister Urban aus Wustermark; der sich nach Eintreffen der Herren aus B. nach Wust. retirierte.Nach Aussage von 2 (der den Corpus des von Kapell gegen 7 Uhr des Morgens am 19. gefunden) stand die Tür zur Familiengruft der Kapells auf dem kleinen Kirchhof neben der Hauskapelle eine Handbreit offen, was 2 auf den Gedanken brachte, einen Blick hineinzuwerfen. Dabei sah 2 die leicht verschobene hölzerne Deckelplatte auf dem besonders präparierten, frei im Raume stehenden steinernen Sarkophag des Gutsherrn und gedachte diese wieder an Ort und Stelle zu rücken (ohne sich über irgendetwas Gedanken zu machen), da 2 vermeinte, es habe ein Tier die Verschiebung ins Werk gesetzt.
    Hierbei fiel sein Blick durch die Sichtscheibe in den bis dato unbelegten Sarkophag des Gutsherrn und 2 erkannte, dass etwas darinnen lag. (Besagte Sichtscheibe war nach Aussage von 2 aufgrund der Furcht des Hausherrn vor einer humatio in vivo nachträglich seitlich in den Steinblock eingebracht worden; ebenso war die schwere Steinplatte des Deckels aus besonders leichten Holzarten nachgeschnitzt und steinern angemalt worden, um nötigenfalls auch von einem irrtümlich eingesargten Liegenden wieder aufgestoßen werden zu können.)
    Auch hier wiederum war 2 der Ansicht, es handele sich um ein von etwa da hineingedrungenes Tier, und rückte die Platte ganz zur Seite, um das im Grabe etwa gefangene Tier befreien zu können. Kaum hatte er dies bewerkstelligt, sah er den Corpus, ohne sich indes der truncatio besonders bewusst zu werden (da ihn der Anblick des Corpus über Gebühr schockierte und der Hut anstelle des zu vermutenden Kopfes lag), und rief 3 und 4 zu Helfern und Zeugen, die ihrerseits 5 und 6 alarmierten.
    Gemeinsam beschlossen 2 , 3 , 4 , 5 , 6 , nachdem sie sich davon überzeugt, dass hier ein delictum sui generis vorliege – auch das Fehlen des Hauptes durch Wegnahme der Kopfbedeckung erkannt –, 1 zu benachrichtigen, welche nach heftiger infirmitas u. glücklicher resurrectio die Polizei zu benachrichtigen bat, was durch 5/6 umgehend ins Werk gesetzt wurde.
    Inspektion des Tatorts und der Leiche; Befragung von 1 , 2 , 3 , 4 , 5 , 6 zu ihren etwaigen Beobachtungen in der Nacht zuvor.
    Feststellung der Todesursache Enthauptung.
    Bemerkenswertes Kopf nicht aufzufinden.
    Aussagen der Zeugen
    ( 1 ) Sagt aus, dass ihr Gatte des Abends am 18. huius, gegen 1/2 8 Uhr, zu seinem üblichen Inspektionsgang vor dem Zubettegehen aus dem Haus gegangen, sie sein Zurückkommen aber nicht gehört, da sie unmittelbar nach seinem Weggange sich selbst niedergelegt und sogleich eingeschlafen sei. In der Nacht habe sie sein Fehlen nicht bemerkt, da sie – aus Gründen nervösen Schlafes – in getrennten Zimmern nächtigten. Hat zum Casus keinerlei Idee. Sagt aus, ihr Gatte habe seit ihrem Verlassen des französischen Heimatlandes 1792 keine anderen Feinde als im Felde mehr gehabt.
    ( 2 ) Sagt aus, dass ihn der Gutsherr des Abends am 18. huius, gegen 8 Uhr, mit den Worten verabschiedet: »Es ist gut, Johann, wir brauchen Sie nicht mehr!« Er habe sich zu Bette begeben, da es ein anstrengender Tag gewesen, weil (es folgen causae ignobiliae).
    ( 3 ) Sagt aus, dass sie gegen 1/2 9 Uhr das Tor zum kleinen Kirchhof
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