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Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler

Titel: Das spaete Gestaendnis des Tristan Sadler
Autoren: John Boyne
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David und reckte die Schultern. Er schien ernsthaft erzürnt. »Das ist ganz sicher eine Frage der Moral.«
    »Aber er hat doch das Gesetz nicht gebrochen, wenn ich es recht verstehe. Ich begreife nicht ganz, warum er für etwas belangt werden soll, das am Ende nicht mehr als ein persönlicher Fehltritt war.«
    »Mr Sadler«, sagte David ruhig. »Lassen Sie es mich klar ausdrücken, denn ich glaube, Sie haben mich missverstanden. Mr Charters’ Gesellschaft war keine junge Dame, fürchte ich. Es war ein junger Kerl.« Er nickte mir wissend zu, wurde etwas rot und wandte den Blick ab.
    »Ah.« Ich nickte ebenfalls langsam. »Verstehe. Das ist es.«
    »Dann werden Sie auch verstehen, warum Ma so außer sich ist. Wenn das bekannt wird …« Er sah abrupt auf, als sei ihm gerade etwas bewusst geworden. »Ich vertraue natürlich darauf, dass Sie die Sache diskret behandeln, Sir. Es geht hier um unsere Existenz.«
    »Was?«, fragte ich, starrte ihn an und nickte dann schnell. »Aber ja, selbstverständlich. Das … nun, das geht niemanden etwas an.«
    »Womit die Frage des Zimmers aber noch immer nicht entschieden ist«, sagte er vorsichtig. »Und ob Sie bereit sind, darin zu übernachten. Wie ich schon erwähnte, wird es von Grund auf gesäubert.«
    Ich dachte einen Moment lang nach, wusste jedoch nicht zu sagen, warum ich das Zimmer nicht nehmen sollte. »Es macht mir wirklich nichts aus, Mr Cantwell. Es tut mir leid, dass Sie solche Unannehmlichkeiten deswegen haben und dass die Sache Ihrer Mutter so nahegeht, aber wenn das Zimmer noch frei ist: Ich brauche nach wie vor ein Bett für die Nacht.«
    »Damit wäre das also geklärt«, sagte der junge Cantwell munter, öffnete die Tür und trat zurück in die Diele. Ich folgte ihm und war ein wenig überrascht, wie unvermittelt er unser Gespräch beendet hatte. Seine Mutter stand an ihrem Platz hinter der Rezeption, und ihr Blick flog zwischen uns hin und her.
    »Mr Sadler hat für alles volles Verständnis«, verkündete ihr Sohn. »Und er würde das Zimmer nun doch gerne nehmen. Ich habe ihm gesagt, dass es in circa einer Stunde fertig ist. Das ist doch richtig?« Er redete, als wäre er der Hausherr und sie seine Bedienstete.
    »Ja, sicher, David«, sagte sie, und die Erleichterung war ihr anzuhören. »Das ist sehr nett von Ihnen, Sir, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf. Würden Sie sich dann bitte ins Gästebuch eintragen?«
    Ich nickte, beugte mich über das dicke Buch und schrieb sorgfältig meinen Namen und meine Adresse hinein, wobei ich etwas Tinte verspritzte, weil meine verkrampfte Hand mir Schwierigkeiten mit dem Füllfederhalter bereitete.
    »Sie können im Salon warten, wenn Sie mögen«, sagte David, sah auf meinen zitternden Zeigefinger und fragte sich zweifellos, was es damit auf sich haben mochte. »Ein paar Häuser die Straße hinunter gibt es aber auch eine sehr achtbare Gaststätte, falls Sie nach Ihrer Reise eine kleine Erfrischung mögen.«
    »Ja, ich denke, das ist genau das Richtige«, sagte ich und legte den Federhalter zurück auf den Tresen. Es war mir peinlich, so gekleckst zu haben. »Darf ich meine Tasche so lange hierlassen?«
    »Natürlich, Sir.«
    Ich bückte mich, holte mein Buch hervor und sah auf die Uhr.
    »Wenn ich um halb acht wieder hier bin?«, fragte ich.
    »Ist das Zimmer fertig, Sir«, sagte David, ging voraus zur Tür und hielt sie mir auf. »Und ich bitte noch einmal um Entschuldigung. Wir leben schon in einer komischen Welt, Sir, meinen Sie nicht? Man kann nie sagen, mit was für Perverslingen man es zu tun bekommt.«
    »Da haben Sie recht«, sagte ich und trat hinaus in die frische Luft, erleichtert von der Brise, die mich den Mantel fest um meinen Körper ziehen und wünschen ließ, ich hätte an meine Handschuhe gedacht. Aber die lagen in meiner Tasche, und ich verspürte keinerlei Verlangen nach einer weiteren Unterhaltung mit Mrs Cantwell oder ihrem Sohn.
    Zu meiner Überraschung wurde mir erst jetzt bewusst, dass es der Abend meines einundzwanzigsten Geburtstags war. Das hatte ich bisher völlig vergessen.
    Ich ging die Straße hinunter, und bevor ich den Carpenter’s Arms betrat, wandte ich den Blick hoch zu dem Messingschild, das gut sichtbar über der Tür angebracht war. »Inhaber: J. T. Clayton, konzessioniert, Bier und Alkohol auszuschenken«, stand da in mattschwarzen Buchstaben eingraviert. Ich starrte auf die Schrift und hielt den Atem an. Ein Schreck fuhr mir durch die Glieder, und ich verspürte das
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