Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schwert der Vorsehung

Das Schwert der Vorsehung

Titel: Das Schwert der Vorsehung
Autoren: Andrzej Sapkowski
Vom Netzwerk:
die Augen gezogenen phantastischen Hütchen von pflaumenblauer Farbe mit silberner Borte und einer langen, nervösen Reiherfeder.
    Geralt kannte dieses Hütchen und diese Feder, die berühmt waren von der Buina bis zur Jaruga, wohlbekannt in Schlössern, Burgen, Gasthäusern, Schenken und Bordellen. Besonders in Bordellen.
    »Rittersporn!«
    »Der Hexer Geralt!« Unter dem herabgezogenen Hütchen spähten fröhliche blaue Augen hervor. »Na so was! Du willst auch dorthin? Hast du vielleicht einen Geleitbrief?«
    »Was habt ihr denn alle mit diesem Geleitbrief?« Der Hexer sprang aus dem Sattel. »Was geht hier vor, Rittersporn? Wir wollten ans andere Ufer der Braa, ich und dieser Ritter, Borch Drei Dohlen, und unsere Eskorte. Und wir können’s nicht, wie sich zeigt.«
    »Ich auch nicht.« Rittersporn stand auf, nahm das Hütchen ab, verneigte sich mit erlesener Höflichkeit vor den Serrikanerinnen. »Mich wollen sie auch nicht ans andere Ufer lassen. Mich, Rittersporn, den berühmtesten Sänger und Poeten im Umkreis von tausend Meilen, lässt dieser Truppführer hier nicht durch, obwohl er selber ein Künstler ist, wie ihr seht.«
    »Ohne Geleitbrief lasse ich keinen durch«, sagte der Truppführer mürrisch, worauf er seiner Zeichnung das abschließende Detail hinzufügte, indem er das hölzerne Ende der Hellebarde in den Sand stieß.
    »Dann eben nicht«, sagte der Hexer. »Nehmen wir das linke Ufer. Der Weg nach Hengfors ist da länger, aber was sein muss, muss sein.«
    »Nach Hengfors?«, wunderte sich der Barde. »Heißt das, Geralt, du reitest nicht Niedamir nach? Dem Drachen?«
    »Welchem Drachen?«, wollte Drei Dohlen wissen.
    »Das wisst ihr nicht? Ihr wisst es wirklich nicht? Na, dann muss ich euch alles erzählen, meine Herren. Ich warte sowieso hier, vielleicht kommt jemand mit einem Geleitbrief, der mich kennt und mir erlaubt, mich ihm anzuschließen. Setzt euch.«
    »Gleich«, sagte Drei Dohlen. »Die Sonne steht fast drei viertel zum Zenit, und mir ist verdammt trocken zumute. Wir werden nicht mit trockener Kehle reden. Tea, Vea, im Galopp zurück ins Städtchen, ein Fässchen kaufen.«
    »Ihr gefallt mir, Herr ...«
    »Borch, genannt Drei Dohlen.«
    »Rittersporn, genannt der Unvergleichliche. Von einigen Mädchen.«
    »Erzähl, Rittersporn«, sagte der Hexer ungeduldig. »Wir wollen nicht bis zum Abend hier hängenbleiben.«
    Der Barde umfasste mit den Fingern den Griff der Laute, schlug hart über die Saiten.
    »Wie wollt ihr es, in gebundener Rede oder normal?«
    »Normal.«
    »Bitte sehr.« Rittersporn legte die Laute nicht weg. »So hört denn, edle Herren, was sich vor einem Tag unweit der freien Stadt begab, die Barfeld heißt. Alsdann, im fahlen Morgenlicht, kaum dass die aufgehende Sonne der Wolken Bahrtuch gerötet, das über die Wiesen gebreitet lag ...«
    »Es sollte normal sein«, brachte ihm Geralt in Erinnerung.
    »Ist es doch, oder? Schon gut. Ich verstehe. Kurz und ohne Metaphern. Auf die Weidegründe bei Barfeld ist ein Drache geflogen gekommen.«
    »Na, na«, sagte der Hexer. »Irgendwie kommt mir das ziemlich unwahrscheinlich vor. Seit Jahren hat niemand in dieser Gegend Drachen gesehen. Ob das nicht eine gewöhnliche Flugschlange war? Manchmal werden sie fast so groß ...«
    »Kränk mich nicht, Hexer. Ich weiß, was ich sage. Ich hab ihn gesehen. Es traf sich, dass ich gerade in Barfeld auf dem Jahrmarkt war und alles mit eigenen Augen gesehen habe. Die Ballade ist schon fertig, aber ihr wolltet ja nicht ...«
    »Erzähl. War er groß?«
    »Drei Pferdelängen. Im Widerrist nicht höher als ein Pferd, aber viel breiter. Sandgrau.«
    »Also ein grüner.«
    »Ja. Er kam unverhofft angeflogen, stieß mitten in eine Schafherde, verjagte die Hirten, zerriss rund ein Dutzend Schafe, fraß vier auf und flog weg.«
    »Flog weg ...« Geralt wiegte den Kopf. »Und Schluss?«
    »Nein. Denn am Morgen darauf kam er wieder, diesmal näher bei der Stadt. Er stieß auf eine Schar Weiber herab, die am Ufer der Braa Wäsche wuschen. Die stoben vielleicht davon, Mann! Ich hab im Leben noch nicht so gelacht. Der Drache aber drehte ein, zwei Runden über der Stadt und flog zu den Weiden, wo er sich wieder die Schafe vornahm. Erst da begann das Geschrei und die Hektik, denn zuvor hatte kaum jemand den Hirten geglaubt. Der Bürgermeister mobilisierte die Bürgerwehr und die Zünfte, aber ehe die sich formiert hatten, hatte das einfache Volk die Sache in die Hand genommen und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher