Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Schwert der Vorsehung

Das Schwert der Vorsehung

Titel: Das Schwert der Vorsehung
Autoren: Andrzej Sapkowski
Vom Netzwerk:
Hexer aus zusammengekniffenen Augen ansah, zerbiss sie krachend die Schale. Aus ihrem Mund troff das Salzwasser. Drei Dohlen rülpste vernehmlich.
    »Also machst du, Geralt«, sagte er, »keine Jagd auf Drachen, grüne und andersfarbige. Zur Kenntnis genommen. Aber warum, wenn man fragen darf, nur auf diese drei Farben nicht?«
    »Vier, wenn man es genau nimmt.«
    »Du hast von dreien gesprochen.«
    »Du interessierst dich sehr für Drachen. Aus einem bestimmten Grunde?«
    »Nein. Reine Neugier.«
    »Aha. Was diese Farben betrifft, so beschreibt man damit üblicherweise die echten Drachen. Obwohl die Beschreibung nicht exakt ist. Die grünen Drachen, die bekanntesten, sind eher grau, wie gewöhnliche Flugschlangen. Die roten sind praktisch rötlich oder ziegelrot. Für die großen Drachen von dunkelbrauner Farbe hat sich die Bezeichnung ›schwarz‹ eingebürgert. Am seltensten sind die weißen Drachen, so einen hab ich nie gesehen. Sie leben weit im Norden. Heißt es.«
    »Interessant. Und weißt du, von was für Drachen ich außerdem gehört habe?«
    »Ich weiß.« Geralt nahm einen Schluck Bier. »Von denselben, von denen ich auch gehört habe. Goldenen. Die gibt es nicht.«
    »Aus welchem Grunde behauptest du das? Weil du nie einen gesehen hast? Einen weißen hast du anscheinend auch nie gesehen.«
    »Darum geht es nicht. Jenseits des Meeres, in Ophir und Sangwebar, gibt es weiße Pferde mit schwarzen Streifen. Die hab ich auch nie gesehen, aber ich weiß, dass es sie gibt. Aber der goldene Drache ist eine Mythenschöpfung. Eine Legende. Wie der Phönix zum Beispiel. Phönixe und goldene Drachen gibt es nicht.«
    Vea, die Ellenbogen aufgestützt, schaute ihn interessiert an.
    »Du weißt sicherlich, wovon du redest, du bist der Hexer.« Borch schöpfte Bier aus dem Fässchen. »Ich denke aber, dass jeder Mythos, jede Legende einen Ursprung haben muss. Und in diesem Ursprung liegt etwas.«
    »Stimmt«, bestätigte Geralt. »Meistens ein Traum, ein Wunsch, eine Sehnsucht. Der Glaube, dass es keine Grenzen des Möglichen gibt. Und manchmal der Zufall.«
    »Eben, der Zufall. Vielleicht gab es einmal einen goldenen Drachen, eine einmalige Mutation?«
    »Wenn es so war, dann hat ihn das Los aller Mutanten ereilt.« Der Hexer wandte den Kopf ab. »Er war zu verschieden, um überdauern zu können.«
    »Ha«, sagte Drei Dohlen, »jetzt widersprichst du den Naturgesetzen, Geralt. Mein Bekannter, der Zauberer, pflegte zu sagen, dass in der Natur jedes Wesen seine Fortsetzung hat und fortdauert, auf die eine oder andere Weise. Das Ende des einen ist der Beginn von etwas anderem, es gibt keine Grenzen des Möglichen, zumindest kennt die Natur keine.«
    »Ein großer Optimist war dein Zauberer. Nur eins hat er nicht berücksichtigt: einen Irrtum der Natur. Oder derjenigen, die mit ihr gespielt haben. Der goldene Drache und dergleichen Mutanten, soweit es sie gegeben hat, konnten nicht überdauern. Dem stand wohl eine sehr natürliche Grenze des Möglichen entgegen.«
    »Was ist das für eine Grenze?«
    »Mutanten« – die Muskeln in Geralts Gesicht zuckten heftig –, »Mutanten sind unfruchtbar, Borch. Nur in Legenden kann überdauern, was in der Natur nicht zu überdauern vermag. Nur Legende und Mythos kennen keine Grenzen des Möglichen.«
    Drei Dohlen schwieg. Geralt betrachtete die Mädchen, ihre plötzlich ernst gewordenen Gesichter. Vea neigte sich unerwartet zu ihm herüber, legte einen harten, muskulösen Arm um seinen Hals. Er spürte ihre vom Bier feuchten Lippen auf der Wange.
    »Sie lieben dich«, sagte Drei Dohlen langsam. »Verdammt will ich sein, sie lieben dich.«
    »Was ist daran ungewöhnlich?« Der Hexer lächelte traurig.
    »Nichts. Aber das müssen wir begießen! Wirt! Noch ein Fässchen!«
    »Übertreib nicht. Höchstens einen Krug.«
    »Zwei Krüge!«, blaffte Drei Dohlen. »Tea, ich muss mal eben raus.«
    Die Serrikanerin stand auf, nahm den Säbel von der Tischplatte, ließ einen scharfen Blick durch den Saal schweifen. Obwohl zuvor etliche Augenpaare, wie der Hexer bemerkt hatte, angesichts des prallen Geldbeutels ungut aufgeleuchtet hatten, machte niemand Anstalten, Borch zu folgen, der leicht wankend auf den Ausgang zum Hof hin zuging. Tea zuckte mit den Schultern und folgte ihrem Dienstherrn.
    »Wie heißt du wirklich?«, fragte Geralt die am Tisch Zurückgebliebene. Vea ließ die weißen Zähne blitzen. Ihr Wams hatte sie weit aufgeschnürt, fast bis an die Grenze des Möglichen. Der Hexer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher