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Das Schwein - Ein obzoener Thriller

Das Schwein - Ein obzoener Thriller

Titel: Das Schwein - Ein obzoener Thriller
Autoren: Edward Lee
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seine Unfähigkeit, die Wahrheit zu erkennen, die absolute Wahrheit und wohin sie führt. Er fühlt sich wie ein Seher, der genau die falschen Dinge gesehen hat.
    »Erzähl mir, was du gesehen hast«, sagt der Beichtvater.
    Das Geheiß entfaltet sich wie eine schwarze Blume in seinem Verstand. Was hat er gesehen, das ihn so auf die falsche Fährte geführt hat? Traurigkeit? Verfall?
    »Verzweiflung«, antwortet er schließlich. »Zu viele Leben und zu viele Herzen, die über den Punkt des Kollapses hinausgetrieben wurden.«
    »Ah, Verzweiflung.« Der Beichtvater hebt einen Finger. »Und was ist mit deinem eigenen Leben? Deinem eigenen Herzen?«
    »Ich weiß es nicht. Ich empfinde Bedauern, glaube ich.«
    »Aber dir wurde so viel gegeben.«
    »Ich weiß! Vergib mir!«
    Das Tal erstrahlt in seinem glänzenden Nebel. Der Beichtvater wiederholt: »Aber ich bin nicht dein Beichtvater.«
    Auch die Finsternis erscheint unermesslich. Es ist jetzt Mitternacht, wo immer sich dieser Ort tatsächlich befindet. Es ist der Moment absoluter Berechnung, die heilige Stunde der Druiden. Das strahlende Licht des Vollmonds reduziert die Züge des Autors auf die Krassheit seiner Knochen. Der wohlriechende Rauch, der aus dem Weihrauchgefäß gewirbelt wird, ruft ihm den Duft ihres Haars ins Gedächtnis zurück.
    »Du verdienst nichts«, stellt der Beichtvater fest,»weil du alles verloren hast. Hörst du mir zu?«
    Ja, ich höre zu. Diese Tatsache, dieser Aphorismus, droht den Autoren zu zerquetschen. So fühlt er sich. Aufgerieben. Ich bin ein zerquetschter Mann, grübelt er. Der Gedanke erscheint ihm beinahe komisch.
    »Du musst einfach nur tapfer sein, Seher, dann wirst du obsiegen.«
    Werde ich das?, fragt er sich. Aber so sollte es offensichtlich sein. Seine Liebe war verschwunden, war ihm genommen worden, oder er hatte sie verloren – der genaue Grund ist nicht von Bedeutung –, von den Verordnungen, die diese Welt kontrollierten und ruinierten. Manchmal betrachtet er die Welt einzig als Ansammlung von Regieren und Versagen. Ja, er hatte seine Liebe eingebüßt; das war es, was ihn zu seiner letzten Frage motiviert hatte. Er fühlte das unbändige Verlangen, die Wahrheit zu suchen, weil er selbst an ihr zweifelte.
    »Ich habe meine Liebe verloren«, gesteht er schließlich.
    »Ja«, sagt der Beichtvater. »Das hast du.«
    Das Weihrauchfass schwingt näher heran, seine arkane blaue Glut gewährt zum ersten Mal flüchtige Blicke auf das Gesicht seines Trägers. Der Autor schaudert. Es ist eine schreckliche Visage. Ein Mund wie der Schnitt eines Messers durch Fleisch und kantige Schlitze als Augen. Mein Gott, denkt der Autor. Das blaue Starren entreißt ihm alles noch Verbliebene. Wenn er jemals so etwas wie Mut besessen hatte, irgendeine Art von Mut, dann war er jetzt verschwunden. Wenn er jemals so etwas wie Glauben …
    Verschwunden. Alles verschwunden.
    Der Beichtvater deutet mit einem Finger auf den schwarzen Stein. Hohn macht sich in seiner unirdischen Stimme breit. »Es ist an der Zeit, Seher. Blicke ganz tief in dich selbst hinein.«
    Mein Gott, er gerät in Panik. Was ist Wahrheit? Was ist wirklich Wahrheit?
    Ihre Worte drängen sich in sein Gedächtnis zurück, als würden die Finger einer Leiche aus dem Totenreich nach ihm greifen. Das ist das Traurigste an der ganzen Sache. Ihre Worte sind Geister. Ihre Worte sind nichts weiter als winzige Gespenster.
    -ich bin stolz auf dich-
    -gibst du mir einen kuss?-
    -ich würde alles für dich tun-
    -ich auch-
    -ach wirklich? also ich habe dich viel mehr lieb-
    Danach: Visionen. Erinnerungen, die sich zurück ins Licht drängen.
    Sie sieht so wunderschön aus unter seinem Körper, dass es ihn erstaunt. Sie drängt sich hinter seinen Augen in seinen Verstand: ihre raue, nackte, unbesiegbare Schönheit. Sogar ihr Schweiß ist schön, der Schweiß auf ihren Brüsten und Beinen, auf ihrem Engelsgesicht, die Perlen von Schweiß, die sich wie Juwelen im lieblichen kleinen Beet ihres Pelzes einnisten. Sie strahlt, glüht, in dieser atavistischen Schönheit, feucht in Fleisch und wahrem Blut, wahrer Liebe. Vielleicht der einzige Moment aufrichtiger Wahrheit in seinem Leben trifft jetzt auf sein Bewusstsein wie ein Hammer gegen einen Amboss. Auch wenn es nur der Bruchteil eines Momentes ist, scheint er immer noch vollkommen zu sein. Ihre Stimme ist ein leises Flehen, geboren aus dem verzweifelten Verlangen zu kommunizieren, das Worte zu völliger Bedeutungslosigkeit reduziert; bei Weitem
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