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Das Schweigen des Glücks

Das Schweigen des Glücks

Titel: Das Schweigen des Glücks
Autoren: Nicholas Sparks
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Zikaden beruhigend war in seiner Monotonie. Ihr Haus war umgeben von Eichen und Zypressen und Hickorynussbäumen, die alle dicht mit Louisianamoos bewachsen waren. Manchmal, wenn das Mondlicht genau im richtigen Winkel einfiel, sprangen Schatten über den Kiesweg, die wie exotische Tiere aussahen.
    In Atlanta hatte sie zum Vergnügen gelesen. Ihr Geschmack reichte von Steinbeck und Hemingway bis zu Grisham und Stephen King. Obwohl die Bücher dieser Autoren auch in der Stadtbibliothek standen, lieh sie sie nicht mehr aus. Stattdessen benutzte sie die Computer in den Leseräumen, auf denen die Bibliotheksbenutzer freien Zugang zum Internet hatten. Sie schlug bei den klinischen Forschungsberichten der großen Universitäten nach und ließ sich die relevanten Artikel ausdrucken. Der Ordner, den sie dafür angelegt hatte, war inzwischen fast zehn Zentimeter dick.
    Auf dem Fußboden neben ihrem Stuhl lag ein Stapel Psychologiebücher. Ihre Anschaffung war teuer und riss ein erhebliches Loch in ihr Budget. Sie gab die Hoffnung nicht auf, und nachdem sie sie bestellt hatte, wartete sie gespannt darauf, dass sie eintrafen. Diesmal, dachte sie jedes Mal, würde sie etwas herausfinden, was sie weiterbringen würde.
    Wenn die Bücher geliefert wurden, saß sie stundenlang darüber und studierte sie intensiv. Während die Lampe ihren stetigen Schein auf das Buch warf, las sie die Aufsätze, von denen die meisten Informationen enthielten, die sie schon kannte, aber sie ließ sich dennoch Zeit. Hin und wieder machte sie sich eine Notiz, manchmal knickte sie auch einfach die Seite um und markierte eine Stelle. So verging eine Stunde, manchmal waren es zwei, bevor sie endlich das Buch zuklappte und den Abend beschloss. Dann stand sie auf und streckte ihre steif gewordenen Glieder. Wenn sie die Bücher auf ihrem kleinen Schreibtisch im Wohnzimmer abgelegt hatte, sah sie nach Kyle und ging dann wieder nach draußen.
    Ein Kiesweg führte zwischen den Bäumen hindurch zu einem zerbrochenen Zaun, der das Grundstück begrenzte. Mit Kyle ging sie diesen Weg am Tag, in der Dunkelheit ging sie ihn allein. Fremde Geräusche drangen von überall her zu ihr: Von oben kam der Schrei einer Eule, da drüben raschelte es in den Sträuchern, neben ihr huschte etwas über einen Ast. Eine Meeresbrise bewegte die Blätter und das Rauschen klang wie das Meer; Mondlicht fiel durch die Äste. Aber der Weg führte geradeaus, sie kannte ihn gut. Hinter dem Zaun drängte sich der Wald dicht um sie. Mehr Geräusche, weniger Licht, aber sie ging trotzdem weiter. Schließlich wurde die Dunkelheit fast erdrückend. Doch dann konnte sie das Wasser hören, der Chowan war nah. Noch eine Baumgruppe, eine scharfe Biegung nach rechts und plötzlich war es, als hätte sich die Welt vor ihr entfaltet. Der Fluss, breit und behäbig, lag vor ihr. Mächtig, ewig, schwarz wie die Zeit. Dann verschränkte sie die Arme, sah zu ihm hinab und ließ die Ruhe, die er verströmte, über sich hinwegspülen. Sie blieb immer nur ein paar Minuten, selten länger, weil Kyle im Haus war. Und sie seufzte und wandte sich vom Fluss ab; sie wusste, es war Zeit zu gehen.

Kapitel 2
    I m Auto, immer noch vor dem Unwetter herfahrend, dachte Denise daran, wie sie in der Praxis dem Arzt gegenübergesessen hatte, während er die Ergebnisse des Tests mit Kyle aus dem Bericht vorlas.
    »Das Kind ist männlich und zum Zeitpunkt der Tests vier Jahre und vier Monate alt… Kyle ist ein hübscher Junge ohne sichtbare körperliche Mängel am Kopf oder im Gesichtsbereich… kein Kopftrauma, soweit bekannt… die Schwangerschaft wurde von der Mutter als normal beschrieben…«
    So fuhr der Arzt ein paar Minuten fort, fasste die Ergebnisse der verschiedenen Tests zusammen und kam dann zu seiner Schlussfolgerung.
    »Obwohl der IQ im normalen Bereich liegt, ist sowohl die rezeptive als auch die expressive Sprachentwicklung des Kindes stark beeinträchtigt… möglicherweise liegt eine allgemeine akustische Auflösungsschwäche vor, obwohl eine Ursache dafür nicht festgestellt werden kann… die sprachlichen Fertigkeiten des Kindes entsprechen schätzungsweise denen eines Zweijährigen… über zukünftige Sprach- und Lernfähigkeit kann zu diesem Zeitpunkt keine Prognose gemacht werden… «
    Kaum besser als bei einem Kleinkind,
konnte sie nicht umhin zu denken.
    Als der Arzt fertig war, legte er den Bericht zur Seite und sah Denise mitleidvoll an.
    »Anders ausgedrückt«, sagte er langsam, als hätte sie
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