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Das Schloss der tausend Sünden

Das Schloss der tausend Sünden

Titel: Das Schloss der tausend Sünden
Autoren: Portia Da Costa
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einbrechen. Da drin wäre es zumindest trocken», versuchte er sie mit der Stimme der Vernunft zu überzeugen.
    «Nein! Nicht!» Belinda schauderte. Ihr Inneres wurde von einer Flut seltsamer, diffuser Emotionen erfasst. Sie meinte zu spüren, dass irgendetwas in dem Haus sich entschieden gegen ein Eindringen wehrte. Sie fand es selbst verrückt, aber genau so empfand sie es.
    «Ist alles okay, Lindi?», fragte Jonathan, stellte sich wieder neben sie und legte seinen Arm um ihre Taille. Die beiläufige Umarmung war tröstend und sehr willkommen. Das abweisende graue Gebäude hatte sie geängstigt, und der Arm ihres Begleiters bescherte ihr wieder etwas menschliche Wärme.
    «Ja, es geht schon», murmelte sie. «Ich habe nur ein wirklich komisches Gefühl bei dieser Festung oder Abtei oder was immer es ist. Mir kommt’s vor, als wäre dort doch jemand drin. Und zwar jemand, der definitiv nicht will, dass wir reinkommen.» Belinda hielt kurz inne und spürte, wie ihre bösen Vorahnungen sich etwas abschwächten. «Zumindest im Moment nicht.»
    Jonathan schaute sie leicht amüsiert an, schien ihre Erklärung aber auf seine unkomplizierte Art zu akzeptieren. «Vielleicht hast du recht. Wahrscheinlich ist es sowieso ziemlich gefährlich. Kaputte Dielen, verrottete Balken und so weiter. Es ist bestimmt sicherer, wenn wir uns nach einer Scheune oder so was umsehen.»
    «Was ist denn das da drüben?» Belinda drehte dem Gebäude den Rücken zu. Ihre Nackenhaare stellten sich auf – soweit ihre klitschnasse Haut das überhaupt zuließ. Als sie versuchte, durch den dichten Regen etwas zu erkennen, ging auf einmal der bisher hellste Blitz nieder und teilte den Himmel wie eine blaue Flamme. In einiger Entfernung sah sie einen kleinen, unscheinbaren Bau, der ihr bisher nicht aufgefallen war. Gleichzeitig spürte sie immer noch die starke, fast greifbare Präsenz des großen Hauses hinter sich, das sie mit seinen toten, bleiverglasten Augen anstarrte.
    «Keine Ahnung. Ist mir bisher gar nicht aufgefallen», erwiderte Jonathan und drehte sich in Richtung des kleinen Gebäudes. «Sieht aus wie ein Sommerhaus oder so was.»Sein Griff wurde fester, und er drückte Belinda beruhigend an sich. «Wollen wir es dort versuchen? Scheint auf jeden Fall besser in Schuss zu sein als das Hauptgebäude.»
    Das Gras war völlig nass und patschte unter ihren Füßen. Als sie das Sommerhaus erreicht hatten, waren ihre Turnschuhe ganz durchgeweicht.
    «Ob es abgeschlossen ist?», fragte Jonathan, als sie vor dem seltsamen Rundbau standen. Mit seinen großen, gerippten Säulen sah es aus wie ein griechischer Phantasietempel. Die verrammelten Fenster waren überaus schmal und die weißgestrichene Tür fest verschlossen.
    «Mal sehen.» Wagemutig und entschlossen, aus dem Blickfeld des Haupthauses zu entkommen, drückte Belinda den Türgriff. Nach ein paar gescheiterten Drehungen schien der kugelförmige Kristallgriff plötzlich einzurasten, und die weiße Tür schwang langsam auf.
    Der Raum, der sich vor ihnen auftat, war natürlich rund, und gerade als Belinda über die Türschwelle trat, wurde er von einem Blitz erhellt, der dramatisches Licht auf die blassen Wände warf. Außer einem niedrigen runden Diwan, der mit verblasstem grauem Samt bezogen war, standen darin keinerlei Möbel. Doch als ein zweiter Blitz den Raum erneut in sein gespenstisches Licht tauchte, war in einer Ecke ein kleiner Trinkbrunnen zu erkennen.
    «Merkwürdig», flüsterte Jonathan und folgte seiner Kollegin.
    «Aber trocken», bemerkte Belinda geradezu überrascht, dass der Pavillon den Regenfluten draußen standhielt. «Und da ist auch ein Bett», fügte sie leise hinzu. Ihre durch das gruselige Haus etwas abgekühlte Erregung kehrte mit einem Schlag zurück. «Ein echtes Bett! Ist das nicht viel besser, als zusammengequetscht in einem Mini zu sitzen?»
    «Mhm   …» Jonathan schien ihre Anspielung verstandenzu haben, denn er trat etwas näher zu ihr heran. Der junge Mann schaute sie an und knabberte an seiner Unterlippe. Diese Angewohnheit hatte Belinda immer sehr gefallen – besonders in solchen Momenten. «Bist du müde?»
    Die logische Antwort lautete: «Ja, natürlich bin ich müde. Schließlich bin ich mitten in der Nacht bei einem schrecklichen Unwetter stundenlang über Landstraßen gewandert.» Aber tatsächlich war Belinda ganz und gar nicht müde. Sie fühlte sich voller Leben, aufgeputscht durch das Gewitter und, am allermerkwürdigsten, überaus erregt
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