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Das Schloss der tausend Sünden

Das Schloss der tausend Sünden

Titel: Das Schloss der tausend Sünden
Autoren: Portia Da Costa
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hohe Grenze aus grauem Stein, die irgendeine Art Anwesen dahinter vermuten ließ, wo sie sicher Unterschlupf finden würden. Und wenn es nur ein Stall oder ein Nebengebäude wäre.
    Jonathan nahm widerwillig seinen Arm von Belindas Schulter, fasste sie bei der Hand, und sie beschleunigten einvernehmlich ihre Schritte. Die junge Frau wusste nicht ganz, ob ihr die Einbildung einen Streich spielte, aber die Straße schien sich jetzt zusammen mit der Mauer zu winden. Nach einer besonders scharfen Kurve standen die beiden schließlich vor einem imposanten Tor, das die unüberwindlich scheinende Mauer unterbrach.
    «Sieht ein bisschen runtergekommen aus», befand Jonathan. Torpfosten und Mauerwerk wirkten sehr brüchig, doch die Schemen zweier Wappentiere, die auf den Pfeilern thronten, waren noch recht deutlich zu erkennen – besonders als sie durch einen erneuten Blitz erhellt wurden. Die beiden Statuen sahen aus wie zwei Katzen. Nicht wie die üblichen Raubkatzen, sondern wie riesige Hauskatzen, die auf groteske Weise verfremdet schienen.
    «Komm, Miez, Miez», scherzte Jonathan grinsend.
    «Lass den Quatsch!», fuhr Belinda ihn kurz an. Die unheimlichen Steintiere machten ihr irgendwie Angst.
    Das Tor selbst war aus Eisen, das hier und da bereits rostete. Es wäre genauso unüberwindbar wie die Mauer gewesen, doch einer der Flügel hing durch ein gebrochenesScharnier etwas in den Angeln. An dieser Stelle war eine Lücke, durch die man sich mühelos hindurchquetschen konnte.
    «Was meinst du? Sollen wir es versuchen?», fragte Jonathan. Während dieser Worte wurde sein schlanker Körper in den knappen Shorts und dem engen T-Shirt von einem gewaltigen blauen Blitz erhellt. Belinda meinte diesen Blitz wie eine Stichflamme in ihrem eigenen Leib zu spüren. Die merkwürdige Erregung, die sie während ihrer Wanderung befallen hatte, schien mit derselben Macht zurückzukehren wie das Unwetter. Die geschmeidigen Gestalten der Katzen auf ihren Podesten schienen sich zu winden, als würden auch sie sich vor Lust verzehren. Obwohl ihre Augen nur angedeutet waren, hatte Belinda das Gefühl, als wären sie real und würden sie beobachten. Oder als würde irgendetwas sie beobachten. Vielleicht war es das Gewitter selbst – so als würde eine unirdische Intelligenz die Auswirkungen prüfen, die sie auf den Körper der jungen Frau hatte.
    «Ja, lass es uns versuchen!», sagte sie mit lauter Stimme, um den immer lauteren Krach durch Wind und Regen zu übertönen. Als das Paar sich dem Durchschlupf näherte, fiel Belinda etwas auf, das sie bisher noch nicht bemerkt hatte: In den verdreckten grauen Stein waren die Worte «Priorat Sedgewick» eingemeißelt.
    Nach fünf Minuten Fußweg über einen verwilderten Steinweg gaben die Bäume den Blick frei, und sie standen vor dem Anwesen, das eine Art Kloster zu sein schien.
    «Sieht ein bisschen düster aus, oder?», stellte Jonathan fest. «Ich glaube nicht, dass es bewohnt ist.»
    Belinda ordnete das Gebäude dem Zeitalter der Gotik zu: hohe, dunkle Türme und lange, schmale Fenster mit bunten Glasscheiben. Das Mauerwerk war dunkelgrau und gab dem Gebäude etwas zutiefst Verschlossenes und Unheimliches. Der Bau wirkte ebenso heruntergekommen wie die ihn umgebende Mauer und das Tor. Ein Zustand, der eine zähe Beharrlichkeit verbarg. Das Gebäude sah mehr wie eine kriegerische Festung denn wie eine Heimstatt des Glaubens aus – auch wenn in unmittelbarer Nähe zum Hauptgebäude zwischen den Bäumen eine verfallene, zugewucherte Kirche auszumachen war.
    «Licht brennt jedenfalls nicht», erwiderte Belinda. «Aber andererseits ist es kurz vor Morgengrauen. Wir sind Ewigkeiten gefahren, oder?»
    Sie standen unschlüssig da. Zwischen ihnen und dem Haus lag nur noch ein verlassener, völlig verwahrloster Garten mit einer Reihe von niedrigen, aber weitläufigen Hecken. Das Haus schien sie finster anzustarren, so als wollte es ihnen den Zutritt verwehren. Die Fenster wirkten wie tote, leere Augen.
    «Ich will da lieber nicht rein», erklärte Belinda und strich die zotteligen Strähnen ihres Ponys von den Augenbrauen. Das Wasser lief ihr bereits in die Augen. «Ich glaube irgendwie nicht, dass wir hier willkommen sind.»
    «Aber ich bin sicher, dass es unbewohnt ist», murmelte Jonathan, ließ ihre Hand los und trat ein paar Schritte vor. Sein plötzlicher Wagemut beeindruckte Belinda, doch es gelang ihr immer noch nicht, die Unheimlichkeit des Hauses zu ignorieren.
    «Wir könnten vielleicht
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