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Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)

Titel: Das Schatzbuch der Köchin (German Edition)
Autoren: Martine Bailey
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sich wohl, überlegte ich, während ich die Hitze des Ofens mit einem spuckefeuchten Finger testete. Aber das war nur ein dusseliger Jungvogel gewesen. Kein Mensch bei Verstand würde auch nur einen Viertelpenny auf ein solches Zeichen geben.
     
    Die Törtchen waren gerade erst im Ofen, als ich das Geräusch hörte. Ein richtiger Aufruhr schien draußen zu entstehen: Stallburschen brüllten, die Tore rasselten, Hunde jaulten und bellten. Dann rollte eine schicke Mietkutsche direkt in den Hof. Das Passgespann schnaubte, die schweren Geschirre klirrten und knarzten. Mein erster Gedanke war, wie um alles in der Welt ich für diese Gesellschaft nur etwas Ordentliches zu essen heranschaffen sollte? Wir hatten anständige Kost für die Diener, aber nichts für Leute wie Sir Geoffrey, wenn er den ganzen Weg von London heraufkam.
    Ich verzog mich zur Hintertür, weil ich wissen wollte, wer da kam. Während die Stallburschen einander aus dem Weg rempelten und ein verirrtes Schwein die Mostfässer ins Wanken brachte, konnte ich zunächst kaum etwas erkennen. Dann schob ich mich entschlossen nach vorne und sah die junge Frau, die der Kutsche entstieg. Sie war nicht viel älter als ich, aber so bleich wie eine Mehltüte und mit Rosenknospenlippen, die sie fest zusammenpresste. Zwei Rougeflecken betonten ihre Wangenknochen. Sie starrte auf das Gesinde und kniff die Augen zusammen. Angst hatte sie keine vor uns, nicht ein Stück. Sie hob das Kinn und erklärte mit ihrem kehligen Londoner Akzent: «Mr. Pars. Holt ihn sofort her.» Wie von Zauberhand veränderte sich die Szenerie, weil drei oder vier Jungs die Beine in die Hand nahmen und im Haus verschwanden. Die Zurückgebliebenen machten Platz und zappelten vor diesem Mädchen herum, das genauso gut vom Mond hätte heruntergefallen sein können. So ein Wesen hatten wir in diesem Hof jedenfalls noch nie gesehen. Was meinen Blick auf sich zog, war vor allem ihr aprikosenfarbenes Kleid, das wie ein Edelstein funkelte. Ich sog all die modischen Details in mich auf: das pfirsichfarbene Band, das der kleine Hund auf ihrem Arm, den sie an ihren Busen presste, um den Hals trug, die gepuderten Locken, vor allem aber die Schuhe an ihren Füßen. Sie waren aus einem schimmernden silbrigen Stoff gefertigt, und trotz der schönsten Absätze, die man je gesehen hatte, waren sie bereits vom Mawtoner Schlamm verdreckt. Es war ein Verbrechen, diese Schuhe zu ruinieren. Aber unser Besuch war ohne jeden Zweifel direkt in einem Saustall gelandet.
    Ich wusste, dieses Mädchen musste Sir Geoffreys junge Braut sein. Die sogenannte Lady Carinna, über die wir nun schon staunten, seit sie vor etwa drei Wochen unten in London geheiratet hatten. Einer der Burschen hatte erzählt, sie sei fast vierzig Jahre jünger als Sir Geoffrey. Das hatte für ordentliches Gerede gesorgt. Die Männer machten derbe Witze, während wir Frauen uns fragten, was sie wohl dachte und warum sie sich mit unserem Herrn hatte vermählen lassen.
    Als Nächste torkelte eine hagere Frau aus der Kutsche, ohne Kinn und mit dem Kopf einer Schildkröte. Mit einem riesigen Spitzentaschentuch wedelte sie vor ihrer Nase herum, als könnte sie uns alle wie einen üblen Geruch vertreiben. Ihre Herrin würdigte sie keines Blicks, sondern hob den kleinen Hund und küsste ihn wie verrückt. Als wären wir alle gar nicht da. Über uns alle hinwegzusehen war schon eine Leistung, muss ich sagen.
    Dem Himmel sei Dank kam unser Steward, der Aufseher des gesamten Dienstpersonals, Mr. Pars in dem Moment aus dem Haus gestürzt. Er brüllte die Jungs wie ein Soldat an, sie sollten wieder an die Arbeit gehen.
    «Lady Carinna.» Steif verbeugte er sich. «Was führt Euch her, Mylady?»
    Sie würdigte ihn keiner Antwort, weshalb ich mich fragte, ob sie überhaupt wusste, dass er unser Steward war, der mit allem betraut wurde, solange der Herr fort war. Mit dem speckigen Reitmantel und den strubbeligen Haaren schien er neben ihr plötzlich zu schrumpfen.
    «Mein Quartier», sagte sie endlich und wich seinem Blick aus.
    Er verneigte sich halb. Sein Gesicht war puterrot. Dann folgte sie ihm ins Haus und den hinteren Korridor entlang. Die Vorstellung war vorbei, und ich huschte zurück in die Küche.
    «Los, die Hühnchen rupfen», rief ich der Küchenhilfe zu, einem Mädchen namens Sukey. «Und eine Schüssel mit Kohl schneidest du mir. Sofort», wies ich die finster dreinblickende Teg an. Dann stand ich einen Moment lang da, stützte die Hände in die
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