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Das Prometheus Projekt

Das Prometheus Projekt

Titel: Das Prometheus Projekt
Autoren: Volker C Dützer
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zu werfen. Wenn man genauer hinsah, verbarg sich hinter den abwehrend verschränkten Armen der Versuch, sich zu schützen; und die südländische Bräune auf seinem Gesicht täuschte darüber hinweg, dass der Junge leichenblass war. Er hatte etwas gesehen und wenn Windhagen ihn wegschickte, weil er ihn nicht ernst nahm, machte er vermutlich einen Fehler. Windhagen hasste es, Fehler zu machen.
    „Ich will einen Mord melden!“, sagte der Junge unvermittelt. „Aber ich rede nur mit Sehner.“
    „Einen Mord?“ Windhagen zog die Augenbrauen hoch.
    Hakan schaute ihn trotzig an. In seinen Augen lag nackte Angst; keine Angst vor der Polizei, sondern vor dem, was er gesehen hatte.
    „Du kannst deine … Beobachtung ebenso gut bei mir loswerden“, schlug Windhagen vor.
    Hakan presste die Arme an den Leib. „Sie glauben mir sowieso nicht. Ich will den Alten sprechen.“
    Wenn Windhagen Sehner aus dem Bett holen musste, bedeutete das, dass er alleine nicht zu Recht kam. Aber wenn der sture Junge darauf bestand, blieb ihm keine andere Wahl.
    „In Ordnung“, seufzte er. „Auf deine Verantwortung. Aber ich sag’ dir gleich, wenn du keinen guten Grund hast, den Kommissar aus dem Bett zu werfen, kriegst du mehr als nur Ärger.“
    Windhagen griff zum Telefon und drückte die Taste mit Sehners direkter Durchwahl.
    EdgarSehner wachte bereits beim zweiten Klingeln auf. Er fragte sich, ob er jemals wieder eine Nacht durchschlafen würde. In vier Monaten ging er in Pension, aber vermutlich würde er jede Nacht das Telefon hören, auch wenn es gar nicht mehr schellte. Beim dritten Klingeln nahm er ab.
    „Ja?“, fragte er schläfrig.
    „Windhagen. Tut mir wirklich Leid, dass ich Sie um diese Uhrzeit stören muss.“
    „Sie werden schon wissen warum“, murmelte Sehner verschlafen.
    „Hier sitzt ein Junge, der angeblich einen Mord beobachtet hat, und er will nur mit Ihnen reden.“
    Sehner war augenblicklich hellwach. „Wie heißt der Junge?“
    Windhagen strafte Hakan mit einem bösen Blick. Er ärgerte sich, dass er es noch nicht einmal geschafft hatte, den Nachnamen des Jungen herauszufinden. „Hakan. Mehr ist aus ihm nicht herauszukriegen.“
    „Ich komme.“
    Sehner schaltete das Handy aus und ließ sich auf das Kissen zurücksinken. Edith lag neben ihm und schnarchte leise. Ihr machten die nächtlichen Anrufe nichts mehr aus. Sie hatte sich schon vor zwanzig Jahren daran gewöhnt und würde nicht einmal aufwachen, wenn Sehner seine Dienstwaffe mitten im Schlafzimmer auf einen Einbrecher abfeuern würde.
    Sehner kroch ächzend aus dem Bett. Eine Viertelstunde später trat er in Windhagens Büro. Im schrägen Licht der Lampe auf Windhagens Schreibtisch wirkte Sehners Gesicht wie ein uralter verwitterter Felsen. Die Jahre hatten sich unauslöschlich in sein Gesicht eingegraben und ihm ihren Stempelaufgedrückt.
    Hakan sprang auf, als er Sehner erblickte. Der Kommissar legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. Sehner kannte Hakan. Der Junge war nicht schlecht, aber er hatte die falschen Freunde. Sehner hatte ihn zweimal laufen lassen, obwohl es um Körperverletzung und Diebstahl ging. Direkt hatte er ihm nichts nachweisen können, aber Hakan war jedes Mal dabei gewesen. Ein drittes Pardon würde es nicht geben, und das wusste auch Hakan.
    Oft hatte sich Sehner in den letzten Monaten gefragt, ob seine vierzig Jahre Polizeidienst irgendeinen Nutzen gehabt hatten. Manchmal schien es ihm so, als sei all die Arbeit vergebens gewesen, die Welt war verkommener denn je. Und dann gab es kleine Lichtblicke. Hakan war ein solches Licht.
    „Lassen Sie uns mal einen Moment alleine“, sagte Sehner und gähnte. Windhagen zog die Mundwinkel herab. „Wenn Sie meinen“.
    Sehner blickte ihm nach, bis er die Tür geschlossen hatte. Windhagen war zweifellos ein fähiger Polizist, aber es fehlte ihm an Erfahrung und Einfühlungsvermögen. Doch wo sollte er diese Eigenschaften auch hernehmen mit seinen wenigen Dienstjahren? Erfahrung war einer der wenigen Vorteile, wenn man alt war.
    „Was dagegen, wenn ich das Band laufen lasse?“, fragte der Kommissar. Der Junge schüttelte nervös den Kopf. Er hatte wieder auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch Platz genommen und rutschte nervös hin und her.
    Sehner baute auf dem Schreibtisch ein Mikrofon auf, drückte die Aufnahmetaste des Rekorders und ließ sich auf Windhagens Stuhl fallen. „Also?“, fragte er knapp. Hakan bliebstumm.
    Sehner konnte plötzlich die Zähne des Jungen klappern
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