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Das Pestzeichen

Das Pestzeichen

Titel: Das Pestzeichen
Autoren: Zin meister Deana
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Menschen zudem gegen Seuchen, die um sich griffen und ihren Tribut forderten. Nur wenige Orte blieben von der Pest verschont, sodass die Angst vor der gefährlichen Krankheit das Leben der Menschen bestimmte. Misstrauisch beobachteten sie sich gegenseitig, ob ihre Körper Zeichen der ansteckenden Seuche trugen.
    Susannas Familie hatte Glück gehabt und war von all dem verschont geblieben. Ihr Vater vermutete, dass der kleine Hof zu abseits lag, um von Umherziehenden entdeckt zu werden. Eingebettet in einen Hain am Rande des Köllertals, war er fast unsichtbar, sodass sich nur selten jemand zu ihnen verirrte.
    Nachdem Arthur Susannas Eltern das Anliegen vorgetragen hatte, schaute die Mutter ihren Mann bittend an.
    »Wir haben nur diese eine Ziege«, erklärte er ungehalten.
    Arthur hatte den abweisenden Blick des Oheims bemerkt und schnell hinzugefügt: »Ich werde euch die Ziege zurückbringen, sobald meine Schwester kräftig genug ist. Das verspreche ich!« Dabei hatte er mit flehenden Augen seine Tante angeschaut.
    Susannas Mutter legte ihrem Mann die Hand auf den Arm und sagte: »Agnes ist meine einzige Schwester. Wir dürfen nicht hartherzig sein, sondern müssen unserem Schicksal danken, dass es uns gutgeht. Wir benötigen die Ziege im Augenblick nicht. Milch bekommen wir von unserer Kuh. Auch sind die Zicklein groß genug und können jetzt ohne das Muttertier auskommen.«
    Die finsteren Gesichtszüge des Vaters entspannten sich. Nachdem er laut aufgeseufzt hatte, sagte er: »Du hast recht, Maria. Wir müssen dankbar sein. Der Herrgott hat uns bis jetzt nicht im Stich gelassen, und das wird er auch nicht, wenn wir dem Jungen die Ziege mitgeben.«
    Glücklich hatte die Mutter dem Mann einen Kuss auf die Wange gehaucht und zu ihrer Tochter gesagt: »Du wirst Arthur begleiten und meiner Schwester eine Woche lang unter die Arme greifen. Danach kommst du wieder nach Hause.«
    Als der Vater etwas erwidern wollte, hatte die Mutter ihn angelächelt, sodass er den Mund wieder schloss.
    So kam es, dass Susanna zum ersten Mal in ihrem Leben für einige Tage den elterlichen Hof verließ. Bis jetzt hatte sich das Leben der Siebzehnjährigen nur im Umfeld des Elternhauses abgespielt. Ihre Tante hatte sie erst zweimal gesehen. Diese hatte in jungen Jahren einen Knecht geheiratet und war mit ihm in seinen Heimatort Brotdorf gezogen, der im Norden von Westrich lag. Beide lebten und arbeiteten dort als Gesinde auf einem kleinen Bauernhof. Vor fünf Jahren starb zuerst die Bäuerin im Kindbett, und als der strenge Winter kam, starben die vier Kinder des Bauern an Lungenentzündung. Nachdem der Herrgott auch den Alten zu sich genommen hatte und sich keine Verwandten meldeten, die den Hof beanspruchten, blieb die Tante mit ihrer Familie auf dem Gehöft wohnen. Sie bewirtschafteten die Äcker wie in all den Jahren zuvor.
    Jedoch schien der Ernteertrag nur spärlich auszufallen, so hohlwangig, wie ihr Sohn Arthur aussah. Als Susannas Mutter dem Jungen eine Scheibe Brot mit geräuchertem Speck reichte, griff er gierig danach und flüsterte: »Hmmm, riecht das gut!«
    Am nächsten Morgen waren Arthur und Susanna mit der Ziege am Strick in Richtung Brotdorf losmarschiert. Alles, was die Eltern an Nahrungsmitteln entbehren konnten, hatten sie der Verwandtschaft eingepackt. Susanna trug schwer an dem Beutel, doch sie beklagte sich nicht.
    Als die beiden mit der Ziege am späten Nachmittag das kleine Gehöft erreichten, war Susanna bestürzt. Es hatte den Anschein, als ob hier schon seit langem niemand mehr Ordnung gehalten hätte. Wertvolles Stroh und Heu lag achtlos verstreut umher, ebenso Werkzeug, das bereits rostete. Tote Hühner verwesten in einer Ecke, und über allem hing der Geruch von Exkrementen, der durch die anhaltende Hitze verstärkt wurde. Das Wohnhaus schien wie der kleine Verschlag, in dem Federvieh hungrig gackerte, kurz vor dem Zusammenbruch zu stehen. Die Haustür hing windschief in den Angeln, und die Fensterläden fehlten. An einer Wäscheleine waren zerschlissene Lappen aufgereiht, von denen Susanna annahm, dass dies die Windeln des neugeborenen Kindes waren.
    Ein etwa zweijähriges Mädchen mit hellen Haaren saß, ohne Hose und nur mit einem kurzen Hemdchen bekleidet, vor dem Haus im Dreck und steckte sich etwas in den Mund, das kurz zuvor noch gekrabbelt war. Als plötzlich eine Katze laut aufschrie, blickte Susanna sich um. Sie entdeckte einen Jungen, der einen schwarz-weiß gefleckten Kater festhielt, während
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