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Das Niebelungenlied

Das Niebelungenlied

Titel: Das Niebelungenlied
Autoren: Manfred Bierwisch
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stolze Gesinnung; viele Gäste wurden davon nach Burgund gezogen. Aber so viele sich auch um ihre Gunst bewarben, nie sagte Kriemhilt sich, daß sie irgendeinen von ihnen zum Geliebten wünschte. Sie hatte den noch nicht gesehen, dem sie dann doch angehörte.
    Sîfrit richtete nun seinen Sinn auf ritterliche Frauenverehrung. Ihm gegenüber war alles Werben der anderen ein Nichts, er aber gewann leicht die Liebe edler Frauen, und so wurde Kriemhilt später seine Gemahlin. Seine Verwandten und Freunde sagten stets: Die er unverbrüchlich lieben wolle, müsse ihm in allem ebenbürtig sein. Da sagte Sîfrit: »Dann will ich Kriemhilt wählen, die schöne Jungfrau im Burgundenreich, denn sie ist sehr schön. Ich glaube, so mächtig war ein Kaiser nie, daß ihm die Liebe zu ihr nicht wohl angestanden hätte.«
    Durch Gespräche unter den Hofleuten erfuhr auch Sigemunt von dem Vorsatz seines Sohnes. Daß er um das vornehme Mädchen werben wollte, stimmte ihn sehr bedenklich. Auch Sigelint hörte davon und hatte große Sorge um ihren Sohn, denn sie kannte Gunther und seine Gefolgsleute. Sie begannen Sîfrit die Werbung zu verleiden. Endlich sagte Sîfrit: »Lieber Vater, ich möchte niemals eine Frau lieben, wenn nicht die, nach der mein Herz Verlangen hat. Was man auch immer hierüber sagen könnte, wird doch nichts daran ändern.« Der König sagte: »Wenn duernstlich nicht davon lassen willst, so bin ich einverstanden. Ich will dir auch behilflich sein, so gut ich kann. Aber die Leute König Gunthers sind sehr stolz. Und wenn es niemand sonst wäre als Hagen von Tronege: er kann so hartnäckig in seinem Hochmut sein, daß ich fürchte, es kann uns leid werden.«
    »Was soll uns das stören?« sagte Sîfrit. »Was ich nicht im guten von ihnen haben kann, das soll mir ohne langes Bitten zufallen. Ich traue mir zu, ihnen Land und Leute abzuzwingen!«
    »Deine Worte machen mir Sorge«, antwortete König Sigemunt. »Wenn das in Worms bekannt wird, darfst du niemals nach Burgund reiten. Ich kenne Gunther und Gêrnôt seit langer Zeit. Mit Gewalt wird niemand das Mädchen bekommen«, sagte er. »Wenn du aber bewaffnet dorthin ziehen willst, so werden wir alles aufbieten, was wir irgend an Freunden haben.«
    Aber Sîfrit sagte: »Ich habe nicht vor, eine Heerfahrt an den Rhein zu machen und sie so zu erkämpfen; das wäre mir nicht recht. Allein will ich sie erringen, nur mit elf anderen will ich in Gunthers Land. Dazu sollt Ihr mir helfen, mein Vater.« Da gab man seinen Leuten graues und zweifarbiges Pelzwerk.
    Als dies seine Mutter Sigelint vernahm, begann sie zu trauern um ihren lieben Sohn, den sie im Kampf mit Gunthers Kriegern zu verlieren fürchtete, und sie weinte viel. Sîfrit ging zu ihr und suchte sie zu beruhigen. »Mutter«, sagte er, »Ihr sollt nicht weinen meinetwillen. Wegen meiner Feinde bin ich ohne jede Sorge. Und wollt Ihr mir die Reise nach Burgund richten, indem Ihr uns solches Gewand beschafft, wie wir es in allen Ehren tragen können, so will ich Euch von Herzen dankbar sein.«
    »Mein einziger Sohn«, sagte Sigelint, »wenn du dichnicht umstimmen läßt, so will ich dir helfen mit den ansehnlichsten Kleidern, die ein Ritter je getragen hat; du und deine Kameraden, ihr sollt so viel haben, wie ihr wollt.« Da bedankte sich Sîfrit bei seiner Mutter.
    »Wir wollen nicht mehr als zwölf Gefährten sein auf der Fahrt«, sagte Sîfrit, »denen soll man Kleider herrichten. Jetzt will ich selbst sehen, wie es sich mit Kriemhilt verhält.« Da saßen die Frauen Tag und Nacht und kamen kaum zur Ruhe, bis sie Sîfrits Kleider fertig hatten, denn er bestand auf seiner Reise. Sein Vater ließ ihm das Gewand kostbar ausstatten, in dem er ausreiten wollte, und ihre Harnische wurden vorbereitet, ihre Panzerhelme, ihre breiten strahlenden Schilde. So kam der Tag der Abreise heran, und das Volk begann sich zu sorgen, ob sie wohl je wieder zurückkommen würden. Die Krieger befahlen, ihre Waffen und Kleider auf die Saumtiere zu laden. Ihre Pferde prangten in goldenem Zaumzeug, und niemand hatte Anlaß, selbstbewußter zu sein, als Sîfrit und seine Schar es waren. Dann nahm er Abschied zur Fahrt in das Burgundenreich.
    Der König und seine Mutter ließen ihn betrübt ziehen; er begütigte und tröstete sie noch einmal. Er sagte: »Ihr sollt nicht weinen meinetwegen. Ihr könnt immer ohne Angst um mich sein.« Die Krieger waren besorgt, und manches Mädchen weinte über den Abschied. Ich glaube, sie wußten in ihren
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