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Das neue Philosophenportal

Das neue Philosophenportal

Titel: Das neue Philosophenportal
Autoren: R Zimmer
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sich deshalb, ohne Rücksicht auf den Zusammenhang einzelner Teile, in jedes Kapitel wie in eine neue Vorlesung begeben.
     Obwohl das Werk eine hohe Konzentration und eine Satz-für-Satz-Lektüre erfordert, bleibt er nie darüber im Unklaren, wovon
     Aristoteles spricht.
    In den ersten Kapiteln entwirft Aristoteles das Programm der »Ersten Philosophie«, die nach den »Prinzipien und Ursachen des
     Seienden, und zwar sofern es Seiendes ist«, fragt. Er diskutiert Methodenund Ziele dieser Grundlagendisziplin, um schließlich ab dem 7.   Kapitel seine Version von den »Prinzipien und Ursachen des Seienden, und zwar sofern es Seiendes ist«, also von der vernünftigen
     Grundordnung der Wirklichkeit, zu entwickeln.
    Diese »Erste Philosophie« unterscheidet sich nach Aristoteles von allen anderen Wissenschaften und Disziplinen dadurch, dass
     sie keinen bestimmten Bereich der Wirklichkeit untersucht, sondern, wie er sagt, »tò òn hê ón«, das Wirkliche oder Seiende,
     insofern es »seiend«, d.   h. wirklich ist.
    In der Biologie untersuchen wir die Vorgänge der Tier- und Pflanzenwelt, in der Astronomie die Welt der Planeten und Sterne.
     Aber was bedeutet es, wenn wir von dem »Sein« der Sterne oder dem »Sein« der Pflanzen reden? Was macht einen Stern zum »Stern«
     und eine Pflanze zur »Pflanze«? Was bedeutet es überhaupt, wenn wir von »etwas« reden, also einem Gegenstand, den wir von
     anderen Gegenständen unterscheiden können und von dem wir sagen können, dass er »ist«? In den einzelnen Wissenschaften setzen
     wir solche Bedeutungen ganz selbstverständlich voraus. Die Welt erscheint uns wie ein wohlsortiertes Kaufhaus, in dem die
     Waren geordnet und unterschieden sind.
    Die »Erste Philosophie« aber macht genau diese Voraussetzungen zum Thema und überlegt, warum wir die Wirklichkeit so und nicht
     anders sortieren. Genau deshalb ist sie eine Grundlagendisziplin, die uns zu dem führen soll, was auch alle anderen Philosophen
     vor Aristoteles im Auge hatten: die vernünftige Grundordnung der Welt, die Erkenntnis der Art, wie die Wirklichkeit »tickt«.
    Dass die menschliche Vernunft fähig ist, diese Grundordnung zu erkennen, daran zweifelt Aristoteles ebenso wenig wie sein
     Lehrer Platon. Er ist sogar der Meinung, dass der Mensch »von Natur aus« dazu bestimmt ist, ein solches Wissen zu erwerben,
     dass also die menschliche Selbstverwirklichung darin besteht, sich dem Erkennen der vernünftigen Ordnung der Welt zu widmen.
    Anders als bei Platon führt bei Aristoteles der Weg dorthin aber nicht über die abstrakten Zahlenverhältnisse der Mathematik.
     Gegenüber der Welt der sinnlich wahrnehmbaren Dinge nimmt ereine ganz andere Haltung als sein Lehrer ein: Nicht die Mathematik ist für ihn der Vorhof der Philosophie, sondern Physik
     und Biologie sind es, die Anschauung der Vorgänge in der Natur und der uns umgebenden, sinnlich wahrnehmbaren Welt.
    Wenn wir dort fragen, warum etwas so und nicht anders ist, stoßen wir nach Aristoteles auf vier verschiedene Ursachen: die
     Stoffursache, die Formursache, die Bewegungsursache und die Zweckursache. Nehmen wir das Beispiel einer Statue: Die Stoffursache
     der Statue liegt in dem Material, also dem Marmor, aus dem sie gemeißelt wurde, die Form- oder Wesensursache in der vorliegenden
     Gestalt der Statue. Die Tätigkeit der Bearbeitung des Marmors ist die Bewegungs- oder Wirkursache, und die Idee, die dem Künstler
     bei der Arbeit vorschwebte, ist die Zweckursache.
    Die Fachphilosophen benutzen normalerweise die lateinischen Begriffe »causa materialis«, »causa formalis«, »causa efficiens«
     und »causa finalis«, um die vier aristotelischen Ursachen zu bezeichnen. Heute verwenden wir den Begriff »Ursache« normalerweise
     nur noch für die causa efficiens, die Wirkursache. Wenn Wissenschaftler und Philosophen von »Kausalität« oder »kausalen Vorgängen«
     reden, meinen sie in der Regel, dass ein Ereignis ein anderes Ereignis bewirkt, d.   h. gemäß einem allgemeinen Naturgesetz hervorruft. Die anderen drei von Aristoteles genannten Ursachen sind in der Geschichte
     der Wissenschaften völlig in den Hintergrund getreten. Wenn es bei Aristoteles allerdings um die Analyse des »Seins« geht,
     so sind zwei andere Ursachenformen, nämlich die Formursache und die Zweckursache, viel wichtiger, und zwar deshalb, weil beide
     mit dem Begriff »Substanz« verknüpft sind.
    Mit dem Begriff der »Substanz« erreichen wir das Herzstück
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