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Das neue Philosophenportal

Das neue Philosophenportal

Titel: Das neue Philosophenportal
Autoren: R Zimmer
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die Weltvernunft »nous«, also reiner Geist, der hinter den Veränderungen der Welt steht, sie aber gleichzeitig auch steuert.
    Die Lehre, mit der Aristoteles sich aber fast 20   Jahre lang intensiv beschäftigen sollte, war die sogenannte »Ideenlehre« Platons. Sie hatte ihre wichtigsten Wurzeln in zwei
     anderen vorsokratischen Denkern: Parmenides und Pythagoras. Für Parmenides gab es zwischen dem Werden und Vergehen einerseits
     und der Weltvernunft andererseitseine tiefe Kluft. Dem wahren, unveränderlichen Sein, das in sich selbst ruht, stellte er die Welt der Täuschungen entgegen,
     die sich unserer Wahrnehmung bietet. Erst in der visionären Anschauung des Seins erfassen wir, was wahrhaft wirklich ist.
     Pythagoras wiederum und seine Schule hatten eine ausgesprochene Vorliebe für die Mathematik, weil sie glaubten, dass die vernünftige
     Tiefenstruktur der Wirklichkeit sich durch Zahlenverhältnisse ausdrücken lässt.
    Von Parmenides übernahm Platon die Ansicht, dass der Mensch sich von der Welt der Veränderungen völlig abwenden müsse, um
     zum wahren Sein zu gelangen. Diesem Sein gab er allerdings eine etwas komplexere Struktur, die es ermöglichte, die Beziehung
     zwischen dem unveränderlichen Bereich der Vernunft und dem Bereich der von uns wahrgenommenen veränderlichen Dinge herzustellen.
     Diesen Dingen steht nämlich nach Platon die Welt ewiger, unveränderlicher und idealer Formen gegenüber, die er »Ideen« nannte.
     So befindet sich über den vielen Pferden der Wahrnehmungswelt die unveränderliche »Idee« des Pferdes. Für jede »Gattung« wie
     Tisch, Pferd, Wolke gibt es eine Idee. In der Idee liegen zugleich der Ursprung und das Vorbild der Dinge. Nur indem das konkrete
     Pferd Merkmale der Idee des Pferdes aufweist, oder, wie Platon sagte, an der Idee des Pferdes »teilhat«, können wir es überhaupt
     als »Pferd« wahrnehmen. Die Idee ist Urbild, das Ding Abbild. Die Welt der Ideen und die Welt der Dinge verhalten sich zueinander
     wie die Welt im Sonnenlicht und die Welt im Schatten. Die Ideenwelt kann nicht durch die sinnliche Wahrnehmung, sondern nur
     durch eine intuitive Schau erkannt werden, die den rational Geschulten, den Philosophen, vorbehalten bleibt.
    Aufgabe der philosophischen Erziehung innerhalb der Akademie war es deshalb auch, den Aufstieg von der Sinnenwelt zur Welt
     der Ideen einzuüben. Dabei spielte die Mathematik eine wichtige Rolle. Weil sie die Fähigkeit zur Abstraktion schulte, galt
     sie als die Vorhalle zur Philosophie und damit zur Erkenntnis der Weltvernunft.
    Aristoteles erlebte die Akademie in einer Zeit, in der das Werk Platons bereits in seine Spätphase eingetreten und die Ideenlehre
     Gegenstand kritischer Diskussionen geworden war. Wir wissen, dasser mit seinen Einwänden bei diesen Diskussionen eine wichtige Rolle gespielt hat. Sehr wahrscheinlich entstanden schon in
     der frühen Akademiezeit erste Notizen, die später ausgearbeitet wurden und in die
Metaphysik
eingeflossen sind.
    Eines der Probleme war, ob es nicht nur für sinnlich wahrnehmbare Gegenstände wie Pferde oder Tische, sondern auch für abstrakte
     Begriffe wie »Einheit« Ideen gibt. Damit verbunden war das Problem einer Ordnung der Ideenwelt, also die Frage nach den Beziehungen
     der Ideen untereinander. Gab es eine Hierarchie innerhalb der Ideenwelt? Mit der »Idee des Guten« als der vollendetsten Form
     des Seins, dem Maßstab für Wahrheit und Gerechtigkeit und dem Ziel philosophischer Erkenntnis hatte Platon bereits die Existenz
     einer obersten Idee behauptet und den Grundstein für eine Hierarchie der Ideen gelegt. Sehr knifflig war vor allem das Problem
     der Beziehung zwischen der Welt der Dinge und der Welt der Ideen, die Platon als »Teilhabe« bezeichnet hatte.
    Eines bestritt Aristoteles nie: dass philosophische Erkenntnis darin besteht, die Wirklichkeit in einer reinen, rationalen
     Schau zu erfassen, in der alle praktischen Erwägungen ausgeblendet sind. In seiner Schrift
Protreptikos
(»Mahnrede«), die etwa um das Jahr 350 v.   Chr.– also mitten in seiner Akademiezeit – entstanden ist, definiert er das Ziel der Philosophie in diesem Sinne als »theoria«,
     als reine »theoretische« Erkenntnis, die ihren Sinn und Zweck in sich selbst hat. In dieser Schau verwirklicht sich der Mensch
     als vernünftiges Wesen und wird damit, ganz im Sinn der Ideenschau der platonischen Akademie, zum »Weisen«.
    Aristoteles verließ die Akademie nach dem Tod Platons im
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