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Das Netz Der Grossen Fische

Das Netz Der Grossen Fische

Titel: Das Netz Der Grossen Fische
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Senators, der ein wahres politisches Schwergewicht war, hatte sie gleich nach ihrer Rückkehr von der Hochzeitsreise begonnen, ihn in die richtige Richtung zu schieben. Kein Tag verging, an dem nicht jemand zum Mittag- oder Abendessen bei ihnen zu Gast war, jemand, der von Giulia sorgfältig und ganz gezielt ausgewählt worden war, damit sie zur rechten Zeit am rechten Ort eine zweckdienliche Andeutung fallen lassen konnte. Mit einem Wort, seine Frau hatte ihn praktisch an die Hand genommen und ihm in jedemAugenblick gesagt, was er tun musste und wann. Dann hatte er eines Tages plötzlich nicht mehr Giulias Hand in seiner gespürt. Und in den beiden folgenden Monaten war er zu der Überzeugung gelangt, dass etwas Ernstes in ihr vor sich ging, doch er hatte nicht den Mut gefunden, sie darauf anzusprechen. Eines Abends, als sie beim Essen saßen, hatte sie ihm schlicht und einfach verkündet:
    »Ich habe mich verliebt.«
    Er war zu Eis erstarrt. Ihm fehlte die Kraft, den Mund aufzumachen. Und so hatte sie weitergeredet und dabei ihre Suppe gelöffelt.
    »Es ist etwas Ernstes, Michele. Ich muss nachdenken, ich muss ein paar Tage für mich alleine sein.«
    »Wo willst du hinfahren?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht nach Rom, zu Papà. Aber ich glaube nicht, dass …«
    »Hör zu, wenn du willst, kann ich gehen. Du weißt, wo du mich findest, wenn du mir etwas zu sagen hast.«
    »Vielleicht ist es so am besten.«
    Er war ins Schlafzimmer gegangen, hatte in aller Eile einen Koffer gepackt und war in einem Hotel abgestiegen.
    Von jenem Abend an hatte er keinen Fuß mehr in die Wohnung gesetzt. Giulia hatte ihm eine Woche später ihre unwiderrufliche Entscheidung mitgeteilt. Und an seiner statt befand sich nun in jener Wohnung, in jenem Bett Massimo Troina, ein erfolgreicher Rechtsanwalt, der im Schatten von Giulias allmächtigem Vater politische Ambitionen entwickelte. Die Sache hatte allenfalls ein paar Monate für ein gewisses Aufsehen gesorgt; danach hatten sich alle daran gewöhnt, Massimo und Giulia immer zusammen zu sehen. Sie versteckten sich ja nicht, sie machten kein Geheimnisaus ihrer Beziehung, und so war er als ihr Ehemann praktisch ausgelöscht. Doch offiziell, nein, offiziell war er es nicht. Einmal, es waren sechs Monate seit der Trennung vergangen, hatte er sie angerufen, weil sie sich nicht mehr bei ihm gemeldet hatte.
    »Willst du, dass wir uns scheiden lassen?«
    »Papà sagt, es wäre besser, das zu vermeiden.«
    Natürlich war es für den Senator besser. Sobald sich Wahlen ankündigten, gab es keinen Pfarrer in seinem Wahlkreis, der seiner Gemeinde nicht ans Herz legte, ihn wieder zu wählen. Und natürlich wurde er mit überwältigender Mehrheit wiedergewählt. Die Scheidung seiner Tochter hätte den Enthusiasmus der Pfarrer und der Gemeindemitglieder dämpfen können, und seine Gegner würden das ganz sicher als Waffe gegen ihn verwenden.
    »Es sei denn …«, hatte sie angefangen.
    »Sprich weiter.«
    »Es sei denn, du willst … was weiß ich, klare Verhältnisse … weil du vielleicht eine andere gefunden hast, die du …«
    Zum ersten Mal hatte er sie zögern hören, während sie sprach.
    »Ich habe niemanden gefunden.«
    Und damit hatte er das Gespräch abrupt beendet.
    Es war schwer, eine andere zu finden, eine, die Giulia das Wasser reichen konnte, und noch viel schwieriger, sich Giulia aus dem Herzen zu reißen. Wie viele Nächte hatte er in seinem einsamen Bett im Residence-Hotel zugebracht und in Gedanken an sie Höllenqualen gelitten, und wie viele Nächte hatte er seine Zeit vergeudet mit dem vergeblichen Versuch, im Körper einer anderen auch nur einen Hauch von ihr wiederzufinden!
    Doch die Frage, die er sich gleich nach diesem Anruf gestellt hatte, war eine andere. Warum hatte Giulia nicht das geringste Interesse daran, einen Prozess in Gang zu setzen, der es ihr am Ende erlaubt hätte, Massimo zu heiraten? Zog sie es vor, eine Geliebte statt eine geschiedene Frau zu sein, damit dem Vater keine Nachteile daraus erwuchsen? Oder gab es irgendeinen anderen Grund, den er nicht kannte? Soweit er wusste, war Massimo Troina nie verheiratet gewesen. Warum also? Doch nach einiger Zeit hatte er sich diese Frage nicht mehr gestellt.
    »Buonasera, Direttore«, begrüßte Virzì ihn, als er das Restaurant betrat.
    Er setzte sich an den üblichen, bereits für eine Person gedeckten Tisch. An diesem Abend war das Lokal nur spärlich besucht, denn aufgrund der leichten Hitze wählten die Gäste
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