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Das nasse Grab

Das nasse Grab

Titel: Das nasse Grab
Autoren: Horst Hoffmann
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Gestank würde ich mich auch in meine Hütte verziehen. Das soll also eine Stadt sein?« Sie lachte verächtlich.
    »Vielleicht riecht’s in den Häusern noch schlimmer«, meinte Gorma. Nachdenklich wiegte sie den Kopf. Insgesamt zehn Kriegerinnen waren sie – und eine Hexe, die nun noch schweigsamer geworden war. Fast schien es, als hätte die Trägerin des gelben Mantels wahrhaftig Furcht vor den Verbannten – oder vor dem, worüber sie nicht sprechen wollte.
    Grimmig zog Gudun eines ihrer Schwerter aus der Scheide. Wie Gorma, hatte sie darauf verzichtet, die Schwertlanze mitzunehmen. Sosonas Gehabe machte sie nur noch entschlossener.
    »Sie können noch nicht alle schlafen«, sagte sie. »Sie werden die Ballone gesehen und sich verkrochen haben. Vielleicht haben sie allen Grund dazu.«
    »Wir dringen in diese Gasse ein«, entschied Gorma und deutete mit der Klinge voraus. »Telmi und Parrha, ihr beide bildet den Abschluß. Sosona?«
    Die Hexe kam wortlos an ihre Seite.
    In Zweierreihe betraten die Amazonen die Stadt, die diese Bezeichnung wahrhaftig kaum verdiente. Lehmhütten und Häuser aus klobigen, unbehauenen Steinen und Stroh säumten den Weg. Die Gasse war an keiner Stelle breiter als zehn Fuß. Guduns Augen waren überall. Sie versuchte, in der Dunkelheit vor ihnen und zwischen den einzelnen Häusern etwas zu erkennen, einen Schatten, eine Bewegung.
    Alles blieb still. Kein Laut war zu hören außer dem Knacken von Holzscheiten im Feuer und dem Rauschen der Wellen, die sacht an Land rollten.
    Die Eingänge der Behausungen waren mit dicken, dunklen Tüchern verhängt, die so bestialisch stanken, als wären sie gerade aus dem Schlick gezogen worden. Kein Lichtschein fiel aus den kleinen Fenstern. Und doch hatte Gudun das sichere Gefühl, von einem Dutzend Augen beobachtet zu werden.
    Die Gruppe hatte einen der freien Plätze fast schon erreicht, als Gudun stehenblieb und auf einen der verhangenen Eingänge zuschritt. Mit einem Streich teilte sie den Stoff. Ein zweiter riß ihn herunter.
    Gorma eilte zum Feuer und riß ein brennendes Scheit heraus, kam zurück und leuchtete in das Lehmhaus.
    »Nichts«, sagte sie grimmig.
    Die Hütte bestand nur aus einem einzigen Raum. Gorma und Gudun sahen zwei schmutzige, stinkende Lager aus einfachem Tuch auf nassem, morastigem Boden. Um einen grob gezimmerten Tisch herum standen drei Schemel. Eine Talgwachskerze war zur Hälfte heruntergebrannt.
    Gudun brührte sie mit dem Finger.
    »Das Wachs ist noch weich«, sagte sie. »Und hier sind Speisereste. Die Bewohner sind also wirklich Hals über Kopf geflohen.«
    »Dann finden wir sie!«
    Sie verließen die Hütte wieder. Selbst der allgegenwärtige Fischgeruch und die vor Feuchtigkeit stehende Luft kamen ihnen nun vor wie eine frische Brise. Angewidert schüttelte sich Gudun.
    Sie winkte die Amazonen heran, als sie auf dem Platz vor dem Feuer standen.
    »Schwärmt aus!« rief sie. »Verteilt euch und sucht nach den Verbannten! Bringt jeden her, den ihr findet!«
    Sosona runzelte die Stirn, sagte aber nichts.
    Die Kriegerinnen verschwanden in den dunklen Gassen. Gudun fand etwas vor einer Hütte, das wie ein Misthaufen aussah. Sie stach mit der Klinge hinein und hob klebrigen Tang in die Höhe.
    »Wer kann hier leben?« fragte sie. »Wie heruntergekommen müssen diese Ausgestoßenen sein, wenn sie in diesem Sumpf hausen?«
    Gorma hörte sie nicht. Sie starrte auf eine Stelle zwischen den Hütten und Häusern, die zur Küste hin abfielen.
    »Da war etwas«, flüsterte sie. »Ein Schatten. Ich hole ihn mir.«
    Und wieder war es, als wollte die Hexe etwas sagen. Sie hatte schon die Hand erhoben, als wollte sie die Kriegerin zurückhalten.
    Aber sie schwieg.
    Gorma drang in die zum Meer führende Gasse ein. Unaufgefordert schloß sich ihr eine Amazone an.
    Sie drangen in Hütten ein und fanden nichts als noch warme Kerzen und Speisereste. Eines der einfachen Lager war feucht. Gorma hob Tangreste davon auf.
    Ein eisiger Schauder lief ihr über den Rücken, als sie wieder an die Worte der Hexe dachte.
    Es heißt, daß die Verbannten keine wirklichen Menschen mehr sind …
    Verärgert über sich selbst trat sie ins Freie. Der weiche Boden zwischen den Bauten war nun an immer mehr Stellen von Schlick und Tang bedeckt. Der Fischgestank war dazu angetan, ihr die Sinne zu rauben. Gorma biß die Zähne zusammen und murmelte eine Verwünschung.
    »Dort!« rief ihre Begleiterin aus.
    Sinaka deutete mit der Klinge auf eine Lücke
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