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Das Mozart-Mysterium

Das Mozart-Mysterium

Titel: Das Mozart-Mysterium
Autoren: Christoph Öhm
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verehrter Mozart, möchte ich Ihnen den Anfang der Rätsellösung etwas erleichtern: Der erste Ort, der in dem Gedicht beschrieben wird, ist ein öffentliches Gebäude Salzburgs, das Ihnen wohlbekannt ist, wie ich mit Sicherheit weiß! Mehr darf ich nicht dazu sagen. Ich möchte mich nun empfehlen. Wir werden uns wieder begegnen!«
    Er hob seinen Hut zur Verabschiedung und schritt schwungvoll zur Tür hinaus.
    Verwundert trat der Adlatus mit dem Kaffeegeschirr zur offenen Tür herein und blickte Lucchesini mit offenem Munde nach.
    Mozart stand ebenfalls noch unter dem Eindruck der unerwarteten Ereignisse; er wies Franz an, das Tablett abzustellen und uns den dampfenden und duftenden Kaffee zu servieren, damit wir uns erholen und die weiteren Schritte diskutieren konnten. Mozart legte den Brief mit dem ersten Rätsel auf den Tisch und las es erneut vor:
     
    »Rätsel 1
    Trete eyn
    Und schreite nun
    Gen Paradeis.
    Ohn’ Furcht sei’st Du
    Musst Du doch geh’n
    Durch diese Tür.
    Diese find’st Du nur,
    Wenn 16, 16, 18
    Und die 22
    Sind vereint.
    Auch ging ein letztes Mal den Weg,
    Den Du zu schreiten hast
    Der, durch den –
    Kein Heil’ger war er –
    Der erste Stein zum Weg
    Geleget ward.
    Leg’ ab
    Dein Hab und Gut.«
     
    Mozart rief aus: »72! Die Zahlen ergeben zusammen die Zahl 72! Es heißt hier doch: ›wenn 16, 16, 18 und die 22 sind vereint‹ – das muss in irgendeiner Form ein Hinweis auf das Gebäude sein!«
    Ich dachte angestrengt nach. »Es kann sich dabei auch um eine Uhrzeit handeln, vielleicht wird um 7 Uhr 20 ein Schatten auf diesen Ort geworfen oder ein Lichtstrahl durch ein Fenster hinein?«
    »Oder es ist eine Hausnummer.«
    Ich wurde blass und erschauerte, denn mir wurde eine weitere Möglichkeit bewusst. »Maestro, ich glaube, es ist ein Friedhofsportal: ›Gen Paradeis‹ – damit kann die letzte Ruhe der Menschen im Grabe gemeint sein. Und Lucchesini sagte, der Ort sei öffentlich.«
     
    Es gab zahlreiche Friedhöfe in Salzburg, zum Teil in durchaus absonderlicher Lage. Auf Anhieb fielen mir – einem Ortsfremden – mehrere ein: der St.-Sebastian-Friedhof mit seinen zahlreichen Arkaden, wo der berühmte Arzt Paracelsus lag; der Petersfriedhof, der mir bekannt war wegen seiner teils in den Felshang gehauenen Katakomben, die den frühesten Christen als Gebetsstätten gedient haben sollen.
    Zu meinem Erstaunen stand Mozart auf und nahm, anstatt mir zu antworten, seine Violine. Er prüfte rasch ihre Stimmung und begann ohne Noten zu spielen. Eine vorsichtige Melodie, die fragend und langsam anstieg, dann wieder abbrach, als ob Mozart den restlichen Teil vergessen hätte, und daraufhin erneut in schlankem Ton anhob und in klaren Tönen erstrahlte. Sie wurde immer gehetzter, immer schneller jagend in blitzenden Abwärts- und Aufwärtsläufen, dies über mehrere Minuten hinweg, bis die Improvisation in einem kräftigen Schlusston endete.
    Oft hatte ich es erlebt, wie Mozart beim Spiel der Violine Ausgleich suchte, meist weil er unglücklich oder verzweifelt war; manchmal zog er sich auch zum Musizieren zurück, wenn eine schwere Entscheidung anstand. Nunmehr schien sein Geist durch die Klänge beflügelt worden zu sein, denn er sprach gut gelaunt zu mir: »Wohl­an, lassen Sie uns den Dingen auf den Grund gehen und in die Stadt aufbrechen. Ich vermute allerdings, dass die Friedhöfe nicht der richtige Ansatz sind. Im Rätsel wird erwähnt, ein ›erster Stein‹ sei für den Weg gelegt worden: Dies weist nach meinem Dafürhalten auf ein Gebäude mit einem Grundstein hin, höchstwahrscheinlich eine Kirche.«
    »Der St.-Rupert-Dom kann es nicht sein, denn der heilige Rupert hat dazu den Grundstein gelegt und es heißt im Rätsel: ›kein Heil’ger‹.«
    »Mag sein, aber es gibt ja noch eine Unzahl weiterer Kirchen, die Verstecke bieten und die wir uns anschauen werden.«
    Schnell machten wir uns ausgehfertig. Mozart ließ die Kutsche nicht anspannen, denn wir konnten von seiner zentral gelegenen Wohnung aus die Mehrzahl der Salzburger Kirchen problemlos zu Fuß erreichen.
    Nördlich der Wohnung in der Getreidegasse lag die Markuskirche, westlich die St. Blasiuskirche, ganz nah zu uns die Kollegienkirche und die Franziskanerkirche, sogar der Dom war nur wenige Minuten entfernt; etwas weiter südlich die Abtei St. Peter, zu der auch der Felsenfriedhof gehörte, und am südöstlichen Ende der Stadt die Kajetanerkirche.
    Als wir die Straße betraten, wehte uns ein frischer Herbstwind
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