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Das mittlere Zimmer

Das mittlere Zimmer

Titel: Das mittlere Zimmer
Autoren: Inge Lempke
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Lächeln wieder dem Im-Essen-Herumstochern zuwandte. Kaum waren alle fertig, schlug sie vor, einen Spaziergang durch die Felder zu machen.
    Anette stand auf, schob ordentlich den Stuhl unter den Tisch und fragte: „Wer kommt mit?“
    Achim staunte sie an und schüttelte den Kopf. „Ich bestimmt nicht! Und Fritz muss sich den Keller ansehen!“
    Fünf Minuten später spazierten Rike, ihre Mutter und Hannah zwischen Wiesen und Feldern entlang und ließen sich eine leichte Brise um die Nase wehen. Die Luft war angenehm mild und klar und sauber. Über mehrere Hügel hinweg konnte man in der Ferne die riesigen, geflügelten Masten einer Windkraftanlage erkennen.
    Plötzlich blieb ihre Mutter stehen, wandte sich zu Rike um und sah ihr in die Augen. „Jetzt sei mal ehrlich, fühlst du dich in dem Haus wirklich wohl?“
    Rike schaute zu Hannah hinüber, die sich durch einen Zaun hindurch begeistert mit ein paar Kühen auf der Weide zu unterhalten versuchte. Rike hatte ihr kleine, blaue Gummistiefel angezogen, damit sie unbekümmert durch Matsch und Pfützen stapfen konnte. Ihre feinen blonden Haare waren zu zwei Zöpfchen geflochten.
    Rike steckte beide Hände in die Jackentaschen und ließ ihren Blick über die Felder in die Ferne wandern. Wieso stellte ihre Mutter solche Fragen? Ob sie sich wohl fühlte in dem Haus? Selbstverständlich, solange sie nicht in den gruseligen Keller hinunterstieg.
    „Ich bin unglaublich glücklich hier“ , klärte sie ihre Mutter auf und ging weiter.
    „Du kannst mir nicht erzählen, dass du’s nicht auch gemerkt hast!“
    „Was denn?“
    „Ich kann nicht genau sagen, was es ist“ , gab ihre Mutter zu. „Aber da ist was! Sobald man ins Haus kommt, hat man so einen komischen Geruch in der Nase, nach ... ich weiß nicht was! Und als wir beide damals die Küche gestrichen haben, also ich hatte ein paar Mal eine Gänsehaut und ein Gefühl, als ... als greife irgendwas nach meinen Füßen, so, als wollte mich das Haus für immer festhalten. Hast du das denn noch nie gehabt?“
    „ Ich glaube, du hast Hungerphantasien! Das ist ein altes Haus! Vielleicht schimmelt da irgendeine Ecke vor sich hin!“ Rike ging schneller und ließ Hannah, die inzwischen in gut 50 Metern Entfernung am Wegesrand hockte und etwas Interessantes entdeckt zu haben schien, nicht aus den Augen.
    Allmählich fing Rike an, sich zu ärgern. Warum musste ihre Mutter immer alles schlecht m achen?! Eifersucht? Neid? Konnte sie es nicht ertragen, dass ihre Tochter glücklich war?
    „Ich habe“ , stellte Rike klar, „weder in der Küche noch im Wohnzimmer noch im Schlafzimmer jemals irgendwelche komischen Dinge gefühlt!“ Das entsprach der Wahrheit. „Vielleicht hattest du damals Kreislaufprobleme. Du solltest mehr essen.“
    Sie wusste genau, dass ihre Mutter auf diese Bemerkung mit beleidigtem Schweigen reagieren würde. So geschah es. Daraufhin kümmerte sich Rike nur noch um Ha nnah. Sie war froh, als sie eine Viertelstunde später zu Hause ankamen.
    Achim und Rikes Vater standen auf der zukünftigen Terrasse vor dem Wohnzimmer in der Sonne und fachsimpelten über den Garten. Rike fiel ihnen gleich in die Unte rhaltung.
    „Und? Was ist jetzt mit dem Keller?“
    „Wir sind uns nicht einig“, sagte Achim sofort. „Dein Vater meint, das müsse sich ein Fachmann ansehen. Das heißt aber, der stemmt uns wahrscheinlich den ganzen Boden auf, und das kostet wieder ein Schweinegeld!“
    „Ja, ist klar.“ Rikes Vater strich mit einer Hand über sein graues Haar. „ Aber dann pass bloß auf, dass dir nicht einer vom Amt auf die Pelle rückt! Hast du überhaupt eine Genehmigung, in dem Gemäuer einen Öltank aufzustellen?“
    Dazu schwieg Achim.
    „Wenn da unten alles so bröckelig ist, kann dann nicht das ganze Haus zusammenfallen?“ sorgte sich nun Rike.
    Ihr Vater lachte, Achim grinste, und im Hintergrund fasste sich ihre Mutter an den Kopf.
    „Jetzt hör mal zu, du Angsthase“, erklärte Achim. „Das Haus steht seit über hundert Jahren hier, und ich versichere dir, es wird auch weitere hundert Jahre hier stehen, okay?“
    Rike kam sich dumm vor. Sie trat von der rechteckigen, betonierten Fläche, die de mnächst zur gefliesten Terrasse werden sollte, hinunter in den Garten und begann ihren Eltern, die gefolgt waren, zu erläutern, wie sie den Garten zu gestalten gedachte. Sie bekam viele ungebetene Ratschläge und beschloss nach einer Weile, die Gartenbegehung zu beenden und lieber das Haus zur Besichtigung
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