Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Millionen-Bewußtsein

Das Millionen-Bewußtsein

Titel: Das Millionen-Bewußtsein
Autoren: Gordon R. Dickson
Vom Netzwerk:
noch ein paar Bomben oder was Ähnliches gelegt, das unseren Wagen auseinanderreißen wird.« Sie nickte. »Ganz sicher hat er das«, wiederholte sie.
    Unbehaglich wandte er den Blick von ihr. Er konnte die Angst vor der Seuche verstehen. Eine einzige Spore, die durch den winzigsten Riß in die Versiegelung gelangte, genügte, um den Tod eines Menschen herbeizuführen. Er brauchte sie nur einzuatmen, und schon schlug sie Wurzeln in der Lunge und begann zu wuchern, bis der Befallene an Erstickung starb. Aber zu sehen, daß jemand in ständiger Furcht davor kaum noch ein richtiges Leben führte, ging ihm doch an die Nieren.
    Es war die gleiche emotionelle Selbstquälerei, die seine neopuritanische Tante und Kusinen geradezu genossen. Es hatte ihn krank gemacht zu sehen, daß sie Sklaven dieser Angst waren, und gleichzeitig hatte es ihn mit einer wilden Wut gegen diese Seuche erfüllt, die für dieses Sklaventum verantwortlich war. In gewissem Grad empfand er dasselbe Gefühl für alle, mit denen er diese vergiftete und abgeschlossene Welt teilen mußte. Das gleichzeitige Mitleid mit und der Abscheu vor ihnen hatten ihn zum Einzelgänger gemacht. Er hatte keine Freunde und isolierte sich so, wie es eben in dieser Enge ging.
    Er hing in seinen Gurten und starrte weiter hinaus in die zunehmende Dunkelheit, durch die der Zug nun mit seiner normalen Geschwindigkeit von dreihundert Stundenkilometer fuhr. Tieraugen leuchteten einen Augenblick aus der Finsternis. Seltsamerweise befiel die Jobsbeerseuche keine Tiere. Trotz nun bereits vierzigjähriger Forschung war der Grund dafür immer noch nicht gefunden worden. Die dicken Glasscheiben gaben sein eigenes Bild wieder. Er sah sich im üblichen Coverall, mittelgroß, mit dichtem schwarzem Haar und einem Gesicht, das immer finster wirkte, selbst wenn er durchaus guter Laune war.
    Einzelheiten des Vorfalls wurden nun vom vorderen Wagenende langsam nach hinten weitergegeben.
    »Der Infrarotmonitor zeichnete ihn schon vor der Kurve mit der Baumgruppe auf«, erklärte ein Mann zwei Reihen vor ihm laut. »Noch ehe er überhaupt sichtbar war. Und dann schaltete sich gleich die Robotkanone ein.«
    »Sollten wir nicht vielleicht eine Besinnungsminute einlegen?« rief ein anderer. »Wer möchte daran teilnehmen?«
    »Ich!« meldete sich die Frau neben Chaz. Sie war also tatsächlich eine der Neopuritanerinnen. Ein paar Minuten später kam jemand vom Begleitpersonal und rollte einen dünnen Silbervorhang auf. Er reichte von der Decke bis zum Boden und diente dazu, die Andächtigen von den Uninteressierten abzusondern.
    »Sie beide?« fragte er Chaz und die Frau.
    »Ohne mich«, brummte Chaz. Der Mann zog den Vorhang zwischen ihnen hindurch und isolierte die Frau auf dem Rückweg auch auf der anderen Seite.
    Chaz starrte weiter in die Dunkelheit hinaus. Das Gemurmel des Vorbeters drang in seine Ohren, aber er achtete nicht darauf. Nicht, daß er weniger ethisch eingestellt war als die Betenden. Er hatte in seinem elf Kubikmeter großen Kondominiumsapartment in den Upper Dells eine Meditationsecke wie alle anderen auch. Und jeden Morgen und Abend lockerte er dort den Behälter mit der dunklen sterilisierten Erde sorgfältig mit den Händen. Außerdem besaß er einen Ferricyankaliumkristall, der in einer Flasche mit Nährlösung auf dem Erdbehälter wuchs. Ebenfalls jeden Morgen und Abend verbrachte er eine halbe Stunde meditierend vor diesem Kristall. Seine Meditation galt jedoch nicht der Bereuung von Sünden oder dem Flehen, vor Unglück oder einem Unfall bewahrt zu werden, der ihn der Jobsbeerseuche aussetzen würde. Seine Meditation war harte Arbeit.
    Er konzentrierte sich darauf, welche Talente er auch immer für die Heisenbergsche Kettenwahrnehmung hatte, zu entwickeln, um endlich den Test für die Arbeit an der Pritchermasse zu bestehen. Denn nur so würde er schließlich in die Lage kommen, etwas gegen die entsetzliche Situation zu unternehmen, die die Menschheit unterjochte und zu ihrem Aussterben führen mußte. Nie würde er sich wie die anderen damit abfinden, demütig die Folgen der Menschheitssünde auf sich zu laden. Er war dafür geschaffen zu kämpfen, selbst wenn der Kampf hoffnungslos schien.
    Wenn es tatsächlich etwas wie Kettenwahrnehmung gab, das hatte er sich schon lange geschworen, dann würde er dieses Talent auch in sich erwecken. Er war sogar überzeugt, daß ihm das bereits gelungen war. Aber aus irgendeinem Grund war er einfach nicht imstande, es während der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher