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Das Meer in Gold und Grau

Das Meer in Gold und Grau

Titel: Das Meer in Gold und Grau
Autoren: Veronika Peters
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werfen und durcheinanderbringen ist vielleicht ein Vorrecht der Jugend, aber glaub mir: So erhält man kein Menü, und niemand wird satt!« Ich starrte sie verständnislos an, aber sie lachte schon wieder ihr unverwechselbares Ruth-Gelächter: Laut und anfallartig, eher ein Gebrüll. Elisabeth sagte, sie habe ein Holzhackerlachen, das traf es.
    Sosehr mir Ruth auch gelegentlich auf die Nerven gegangen ist, es gibt vieles, das ich vermissen werde.
    Â»Die trunkenen Fluten fallen. Um die Insel von Palau«, hatte sie ein anderes Mal Herrn Benn zitiert, nachdem lediglich die Frage nach dem Wetterbericht gestellt worden war. Erst vor kurzem habe ich auch dieses Gedicht gefunden, dank eines aus Franks Bücherstapelwald herausragenden Lesezeichens: Die Fluten, die Flammen, die Fragen – und dann auf Asche sehn, steht da, und es erschreckt mich ein wenig, wenn ich daran denke, dass nicht einmal die Erwähnung eines Grabspruchs fehlt. Aber: Tu sais – du weißt, die Zeile steht da auch, und das hätte Ruth bestimmt nicht von sich behauptet.
    Am Ende sind es nicht die Fluten gewesen, derentwegen das Palau gefallen ist.
    Der Tod, die Trauer und das Feuer sind gekommen, wenn
man es in Benn’scher Feierlichkeit sagen möchte, »bis auf die Grundmauern«, stand später in der Zeitung.
    Und trotzdem: Es wird mehr bleiben als ein Haufen Erinnerungen, viel mehr als Zorn und Traurigkeit. Aus und vorbei sieht anders aus.
    Ruth hätte gesagt: »Das liegt an dir.«
    Â 
    Eine Stunde Bahnfahrt bis Kiel, zwei weitere in diversen Bussen, den letzten verpasste ich in Halsung knapp.
    Jetzt stand ich da im Aprilregen, den Rucksack geschultert, und fragte mich, was als Nächstes passieren würde. Schlimmstenfalls ein verregneter Tag am Meer mit Strandspaziergang, Fischbrötchen, frischer Luft. Das war auch nicht zu verachten. Zigaretten und Lesestoff hatte ich ausreichend. Der letzte Bus zurück fuhr um kurz nach sieben, mir blieb genug Zeit, zu prüfen, ob die Tante eine sein wollte und mit welcher Form von Gastfreundschaft sie das zeigen würde. Vielleicht lebte sie gar nicht mehr dort. Die Informationen meines Vaters über sie waren etliche Jahre alt, da konnte einer Frau, die über zehn Jahre älter sein musste als er, alles Mögliche geschehen sein, aber daran hatte ich nicht gedacht, als ich losgefahren war. Über ihren Tod hätte man uns wahrscheinlich informiert. Längst jenseits des Rentenalters, konnte die Tante sich aber zur Ruhe gesetzt haben und vom Hotelbetrieb nur noch die monatlichen Überweisungen an das Seniorenheim zur Kenntnis nehmen, oder gar nichts mehr. Ich wusste nicht einmal, ob sie Kinder hatte.
    Ein Motorengeräusch ertönte, um die Ecke bog ein grauer Lieferwagen, auf den fröhliche Obststücke in Rot und Grün gemalt waren. Eine Birne grinste schräg zu der Sprechblase über ihr: LECKER! FRISCH! SAFTIG!

    Mehr aus Gewohnheit hielt ich den Daumen raus.
    Â»Ja, klar«, der Fahrer lachte, das Strandhotel kenne er, er liefere dort Montag und Donnerstag. »Steigen Sie ein.«
    Die Art, wie er Strand-ho-tel betonte, musste nichts bedeuten, eine Eigenheit des hiesigen Dialekts vielleicht, oder er war schlicht ein launiger Typ oder das Anwesen seinem Geschmack nach zu protzig. Hauptsache, ich würde im Palau ankommen, noch heute, das mochte gut sein oder nicht, jedenfalls war ich nicht zum falschen Dorf unterwegs gewesen. Ich bedankte mich fürs Mitnehmen, wich der Frage, ob ich schon der erste Feriengast sei, mit einer Bemerkung übers Wetter aus und überlegte etwas zu lange, wie ich ihn unauffällig nach den Besitzern fragen könnte. Mitten auf der Landstraße stoppte der Wagen. Da Freitag sei, müsse er mich hier bei der Abzweigung rauslassen, es sei aber nicht mehr weit bis zum Hotel, immer der Nase nach, fünf Minuten maximal, viel Gepäck hätte ich ja nicht dabei, ich solle herzlich grüßen.
    Â»Von wem denn?«
    Â»Rufen Sie einfach in Richtung Küche: Grüße vom LFS. Die wissen dann schon.«
    STRANDHOTEL PALAU 800 m, Pfeil nach rechts. Ich folgte ihm, ging auf einem asphaltierten Weg, mit dem der nicht allzu große Lieferwagen bei entgegenkommendem Verkehr seine Probleme gehabt hätte. Hier war nichts außer Weiden, vereinzelten Sträuchern, rechter Hand eine Baumgruppe, ein halb verfallener Schuppen, Hufspuren am Wegrand, feuchte Kälte, menschenleer.
    Ein
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