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Das Matrazenhaus

Das Matrazenhaus

Titel: Das Matrazenhaus
Autoren: Paulus Hochgatterer
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Ich frage ihn absichtlich nicht, und ich weiß, dass das schlecht ist. Er drückte auf den Knopf, die Espressomaschine brummte, und am Ende spuckte sie heftig. Er rührte einen Löffel Zucker in den Kaffee und überlegte eine Weile. Dann ging er vors Haus, setzte sich auf die Bank und schaute auf die Stadt hinunter. Keine Zeitung, kein Buch, nichts als eine Tasse Kaffee, dachte er – wie ein alter Mann; nur die Katze fehlt. Er blickte sich um. Keine Spur von ihr. Oben auf einer der Fichten des Waldrandes saß bewegungslos ein Habicht.
    Er dachte an die Auseinandersetzung, die er am Vormittag mit Krenn, dem kaufmännischen Direktor des Krankenhauses, gehabt hatte. Es war um den Dienstpostenplan gegangen, speziell um die Frage einer dritten Facharztstelle für sein Departement, und Krenn hatte am Ende gesagt, man müsse leider auch berücksichtigen, dass rein PR-mäßig die psychiatrischen Patienten keinen Realgewinn für das Haus bedeuteten. Daraufhin war er, Horn, aufgestanden, hatte gesagt: »Das Problem ist, dass der Mensch insgesamt keinen Realgewinn bedeutet, auch Sie nicht, Herr Direktor«, und hatte die Tür hinter sich zugeknallt. Krenn war neben seinem Job stellvertretender Landesparteisekretär der Wirtschaftspartei, ging zweimal pro Jahr mit dem Bürgermeister auf die Jagd und neigte zur Zwanghaftigkeit. Soll er mich doch hinauswerfen, dachte Horn. Er stellte sich vor, wie er es Irene erzählen würde: »Du, erschrick bitte nicht, aber sie haben mich heute gekündigt«, und wie sie ihn aus zusammengekniffenen Augen anschauen und fragen würde: »Und was wird jetzt aus meinem Bedürfnis nach Luxus?«
    Die Luft über der Stadt war trüb und unruhig. Die Türme der Stiftskirche schienen zu schwanken, ebenso die Stahlschlote des Holzwerks, und mehrmals hatte er den Eindruck, als schwappe das Wasser des Sees über die Uferpromenade. Vielleicht liegt es auch nur an meinen Augen, dachte er, vielleicht habe ich längst einen grauen Star und weiß es nur noch nicht. Christina, seine Stationsschwester, legte ihm zumindest einmal pro Monat nahe, zum Augenarzt zu gehen. Er konnte diese Art von Mütterlichkeit nicht ausstehen und sagte in der Regel nichts darauf.
    Irene hob beim zweiten Versuch ab. »Nimmst du auf dem Heimweg bitte Brot mit«, sagte er, »Tobias verhungert.« »Rein technisch wird das nicht gehen«, sagte sie.
    »Spielend wird das gehen. Du musst ihn dir nur vorstellen.«
    »Ich meine den Einkauf, nicht sein Verhungern. Ich habe jetzt noch zwei Schüler und danach Orchesterprobe. Vergessen?«
    Sie hatte es ihm gesagt, er erinnerte sich genau. Sie waren beim Frühstück gesessen und sie hatte ihm erzählt: Karsamstag, Abendkonzert, Mozart, Requiem, und Bruckner, Te Deum, er hatte gesagt: »So ein deprimierendes Programm«, und sie hatte geantwortet, der Herr Psychiater habe vom emotionalen Gehalt von Musik offenbar keine Ahnung.
    »Was heißt vergessen?«, sagte er, »du hast mit keinem Wort eine Probe erwähnt.«
    »Wir sind beim Frühstück gesessen. Du hast etwas völlig Unqualifiziertes über die Naivität Anton Bruckners gesagt und ich habe mich aufgeregt. Immer noch Gedächtnisausfall?«
    Horn sagte, sie phantasiere, er habe am Abend die Angehörigengruppe zu leiten und vor kurzem zwei steinharte Semmeln und schimmeliges Toastbrot in Händen gehalten, und sie antwortete, dann werde er wohl oder übel höchstpersönlich auf dem Weg ins Spital bei der Bäckerei Prinz haltmachen müssen. »Das heißt, ich muss zehn Minuten früher weg«, sagte er.
    »Du Armer.«
    »Wann kommst du?«
    »Das hängt vom Tenor ab.«
    »Aha, vom Tenor.« So danke sie es ihm also, dass er unter Aufbietung all seiner Kräfte ihren Garten vor der Überwucherung durch heimtückisches Unkraut bewahrt habe, sagte er, er werde sich auch einen Tenor suchen, von dem er es abhängig machen könne, wann am Abend er nach Hause komme. Solle er doch, antwortete Irene Horn, er, der Mister Bi. Außerdem wisse ein jeder, dass mit den Cellistinnen erotisch niemand mithalten könne, schon gar nicht ein Tenor, und daher halte sie die Idee von vornherein für ziemlich blöd.
    Die Katze saß draußen auf dem Fensterblech und maunzte empört. »Mimi, sie hat recht«, sagte er, »ich werde mir einen Sopran mit abstehenden Ohren suchen und keinen Tenor.« Er öffnete das Fenster. Die Katze strich seinen Unterarm entlang und schnurrte laut. Als er sie in den Nacken kniff, fuhr sie fauchend herum und hackte ihn in den Handrücken.
    Irgendetwas war
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