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Das Leuchten

Das Leuchten

Titel: Das Leuchten
Autoren: Kat Falls
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doch alles an ihr: Topsider. Außerdem verhielt sie sich genau so, wie man sich einen Amateurtaucher vorstellte.
    Laut sagte ich nur: »Sommersprossen.« Auf ihren verdutzten Blick hin fügte ich hinzu: »Wir hier unten haben so was nicht.« Ihr Gesicht sah aus, als hätte man nassen Sand daraufgestreut. Ich richtete den Lichtstrahl meiner Lampe höher. »Und dann deine Haare.«
    Das Lächeln verschwand. »Meine Haare?«
    »Du hast Strähnen.«
    Sie hatte braunes Haar wie ich, doch ihres war mit kupferfarbenen Strähnen durchzogen. Wie kam es, dass das Sonnenlicht die Haare der Menschen heller, ihre Haut aber dunkler machte? Das kapierte ich einfach nicht.
    »Strähnen, aha.« Sie warf ihren langen Zopf über die Schulter, damit ich ihn nicht mehr sehen konnte.
    Ich streckte ihr die Hand hin. »Ich bin Ty.«
    Sie zögerte, ehe sie meine Hand ergriff, und natürlich zog sie den Handschuh ihres Taucheranzugs nicht aus. Unter Siedlern wäre dies eine Beleidigung gewesen. Aber Topsider ließen Haut meist nur vom Nacken aufwärts sehen. Und manchmal nicht einmal das.
    »Ich bin Gemma.«
    »Gemma.« Unwillkürlich musste ich grinsen. »Wie Gemme des Ozeans .«
    Sie runzelte die Stirn. »Wie bitte?«
    »Das sagen wir hier unten, wenn wir etwas besonders Schönes sehen.« Es klang so, als fände ich sie schön, was ich damit gar nicht gemeint hatte, auch wenn es stimmte. Mein Mund wurde trocken. »Weißt du, eine Muschel zum Beispiel.« Ich räusperte mich. »Oder eine Kiemenschnecke.«
    »Sind Kiemenschnecken schön?«, fragte sie ungläubig.
    »Manche schon.«
    »So fing der letzte Brief meines Bruders an.« Sie strich mit der Hand über die Tasche, in der sie das Messer verstaut hatte. »An die Gemme des Ozeans.«
    »Wenn er hier unten lebt, kennt er den Ausdruck natürlich.«
    »Nur damit du es gleich weißt, ich habe mein Nanoboot verloren«, sagte sie unvermittelt und streckte warnend das Kinn vor, damit ich sie ja nicht auslachte.
    Aber davon war ich weit entfernt. »Wo hast du das Boot her?«
    »Von der Handelsstation. Ich habe es mir bei einem alten Kartenspieler geliehen.« Sie zupfte an ihrem ausgebeulten Taucheranzug. »Jetzt werde ich es ihm ersetzen müssen.«
    Der Typ war sicher ein Berufszocker. Auf der Handelsstation wimmelte es von solchen Leuten.
    »Ist der Taucheranzug auch von ihm? Er passt dir nämlich nicht.« Ein Blick auf das metallische Gewebe, das schlaff um ihre schmale Taille hing, genügte, um mich ins Schwitzen zu bringen. Die Sensoren waren zwischen den beiden Stoffschichten eingewoben. Wenn der Taucheranzug sich nicht eng an den Körper schmiegte, erhielt der Computer keine exakten Daten über die Vitalfunktionen.
    Mit einer ungeduldigen Geste wischte sie meine Bedenken weg. »Ich habe mein Nanoboot an der Luftschleuse zurückgelassen. Aber jetzt ist e s …« Sie brach ab, als sie meinen entgeisterten Gesichtsausdruck sah. »Was hast du?«
    »Du bist tatsächlich ganz alleine hierhergekommen.« Mir ging das nicht in den Kopf. Sogar Wissenschaftler, die sich in der Tiefsee auskannten, kamen nicht ohne Mannschaft und jede Menge Ausrüstung.
    »Lass mich raten: Du denkst, Mädchen sollten lange Kleider tragen und sich in Gehorsam üben, um die Große Flut einzudämmen.«
    »Nein«, antwortete ich vorsichtig. Aus ihrem Tonfall schloss ich, dass sie nicht der neupuritanischen Überzeugung anhing, die Erderwärmung sei die Strafe Gottes für unsere Sünden. »Es ist einfach so, dass es hier im Meer wirklich sehr gefährlich ist.«
    »Ich könnte von einem Riesentintenfisch aufgefressen werden, ich weiß schon.« Sie verdrehte die Augen. »Ich war nur zwei Sekunden lang im Wasser.«
    »Wenn dich ein Tintenfisch auffressen will, muss er nicht erst warten, bis du nass geworden bist.« Jetzt hatte ich ihre ganze Aufmerksamkeit. »Ein Riesentintenfisch kann bis zu fünfundzwanzig Meter lang werden und eine Tonne wiegen. Er zieht dein Fahrzeug so weit hinab, bis der Wasserdruck es in Stücke reißt. Und dann nimmt er dich aus wie eine Muschel.«
    Sie wurde blass. »Du willst mir Angst einjagen.«
    »Ja«, gab ich zu. »Doch das heißt nicht, dass ich lüge.« Sie sollte nicht so tief tauchen, wenn sie keine Ahnung von den Gefahren hatte, die hier lauerten. Aber vor ihrem Mut musste man Respekt haben.
    »Warum lebt ihr freiwillig hier unten?«, fragte sie schaudernd.
    »Besitzt deine Familie Land?«
    »Natürlich nicht. Es reicht ja nicht für alle.«
    »Meine Familie besitzt ungefähr achtzig
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